Die konservative Partei des langjährigen bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow ist an einer Regierungsbildung gescheitert. Das erklärte die Partei Gerb (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) am Freitag. Damit werden Neuwahlen in dem ärmsten EU-Land immer wahrscheinlicher.
Gerb war bei der Parlamentswahl Anfang April trotz Verlusten erneut stärkste Kraft geworden. Sie verfügt aber weder über eine eigene Mehrheit noch über einen möglichen Koalitionspartner. Ministerpräsident Borissow hatte den früheren Außenminister Daniel Mitow als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Mitow teilte jedoch mit, er habe keine Partner gefunden und warf den anderen Parteien vor, sich „arrogant und unverantwortlich“ zu verhalten.
Staatschef Rumen Radew wird nun den Chef der zweitplatzierten Partei TSN, Slawi Trifonow, mit der Regierungsbildung beauftragen. Die neue populistische Partei des Sängers und Fernsehmoderators hatte bei der Wahl deutlich besser abgeschnitten als vorausgesagt. Trifonow befindet sich derzeit wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne.
Sollte auch die TSN an einer Regierungsbildung scheitern, geht der Auftrag an eine dritte und letzte Partei. Wenn auch diese Partei keinen Erfolg hat, werden Neuwahlen ausgerufen – ein Szenario, das Experten für immer wahrscheinlicher halten.
Borissow ist in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht. Der Rückhalt für den Ex-Leibwächter des letzten kommunistischen Staatschefs Todor Schiwkow litt allerdings zuletzt darunter, dass das EU-Land von Korruptionsaffären erschüttert wird. Zudem steht und das Corona-Krisenmanagement der Regierung in der Kritik steht. Vergangenes Jahr hatte es große Demonstrationen gegen die Regierung gegeben.