Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe sieht in der Affäre um Bestechungsgelder aus Aserbaidschan an europäische Parlamentarier noch großen Aufklärungsbedarf. „Was wir bisher wissen, ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagte Schwabe am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Nur bei einem Bruchteil der Gelder sei bekannt, wohin sie geflossen seien, und „es gibt noch viel mehr Abgeordnete, die beteiligt waren“.
In der Affäre um die sogenannte Baku-Connection soll sich die Regierung Aserbaidschans über Kontakte in der parlamentarischen Versammlung des Europarats positive Äußerungen von Politikern erkauft haben. In Deutschland wurden deshalb staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen den CSU-Abgeordneten Eduard Lintner und die kürzlich verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz eingeleitet. Anfang März wurde auch dem CDU-Politiker Axel Fischer die Abgeordnetenimmunität entzogen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Dienstag bei einer Videoschalte im Straßburger Europarat von einem „sehr unschönen Vorgang, der umfassend aufgeklärt werden muss“. Deutschland habe sich dem aber „sehr umfassend angenommen“. Merkel verwies auf laufende Ermittlungen gegen Lintner und eine „Rüge“, die Strenz erteilt worden sei.
„Endgültig aufgeklärt ist noch gar nichts“, sagte hingegen Schwabe, der in der parlamentarischen Versammlung des Europarats der sozialdemokratischen Fraktion vorsitzt. Insbesondere CSU-Mann Lintner soll demnach in Aserbaidschans „Kaviardiplomatie“ eine tragende Rolle gespielt haben. „Nach unseren Erkenntnissen war er eine wichtige Kontaktperson, eine Art Drehscheibe für andere.“
Die Regierung der autoritär regierten ehemaligen Sowjetrepublik setzt laut Schwabe systematisch auf bestellte ausländische Wahlbeobachter: „Die fahren dahin, stellen sich vor die Fernsehkameras und sagen ‚ist alles in Ordnung'“. Diese „Beobachter“ kommen demnach häufig aus anderen Ex-Sowjetrepubliken oder aus Russland, aber eben auch aus Deutschland.
„Herr Lintner hat derartige Delegationen früher finanziert und organisiert“, sagte Schwabe weiter. Strenz habe eine dieser Delegationen 2010 selbst geleitet. Die Regierung in Baku bestelle positive Äußerungen über seine Botschaften oder andere Instanzen, „quasi wie aus einem Urlaubskatalog“.
Der Europarat hatte 2018 infolge der „Baku-Connection“ Hausverbot gegen 14 ehemalige Versammlungs-Mitglieder verhängt, darunter Strenz und Lintner. Darüber hinaus hat die Länderorganisation laut Schwabe aber keine Handhabe. Die nationalen Behörden und Parlamente müssten aktiv werden.
In den meisten Ländern seien Ermittlungen im Zusammenhang mit der Baku-Connection allerdings gar nicht erst aufgenommen worden. „Der Europarat bräuchte eine eigene Korruptionsbekämpfungsinstanz“, sagt Schwabe.
Merkel sagte, im Bundestag habe die Aufklärung der Aserbaidschan-Affäre hingegen „dazu geführt, dass sowas in Zukunft verhindert werden kann“. Schwabe ist noch skeptisch. Es gebe zwar eine Einigung zwischen SPD und Union, die Regeln für Parlamentarier weiter zu verschärfen, „aber das ist noch nicht Gesetz“.