Franziska Giffey: Hoffnungsträgerin mit schwerem Makel

Franziska Giffey - Bild: SPD Berlin
Franziska Giffey - Bild: SPD Berlin

Es ist fast der größte anzunehmende Unfall für die SPD im beginnenden Wahlkampf: Franziska Giffey schmeißt wegen der Plagiatsvorwürfe um ihre Doktorarbeit den Job als Bundesfamilienministerin hin. Damit verliert die SPD eine ihrer profiliertesten Köpfe im Bundeskabinett, zudem ist ihre Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im September angezählt. Ein schwerer Dämpfer für die SPD, die ohnehin mit ihrem anhaltenden Stimmungstief zu kämpfen hat.

Bislang war die 43-jährige Giffey ein echter Aktivposten für die SPD. Sie beherrscht den politischen Auftritt und setzt gekonnt Themen wie Kinderbetreuung, Familienpolitik und Gleichberechtigung. In der Corona-Pandemie stritt sie für eine weitestmögliche Öffnung von Schulen und Kitas – ohne dabei zur Befürworterin ungezügelter Lockerungen zu werden.

Giffey, die sich mit ihrem Kostüm-Look samt Steckfrisur stets eine konservative Note verleiht, war eine bundespolitische Seiteneinsteigerin, als sie im März 2018 ins Bundesfamilienministerium kam. Bis dahin war sie Bürgermeisterin im Berliner Problembezirk Neukölln – und machte durch ihre zupackende Art von sich reden. Weil sie sich auf der bundespolitischen Bühne schnell zurecht fand, stieg sie zur Hoffnungsträgerin bei den Sozialdemokraten auf.

Doch dann wurde die Ministerin von den Plagiatsvorwürfen um ihre Doktorarbeit eingeholt. Im Herbst 2019 entschied sich die Freie Universität zwar gegen eine Aberkennung des Doktortitels und beließ es bei einer Rüge. Doch im vergangenen Jahr kündigte die Hochschule eine erneute Überprüfung an. Der Bericht dazu liegt vor, demnächst endet die Frist für eine Stellungnahme Giffeys.

Die Diskussion um ihre Doktorarbeit war es auch, die Giffey zum Verzicht bewog, als es 2019 um die Nachfolge der zurückgetretenen SPD-Chefin Andrea Nahles ging. Aber damals hatte sie offenbar ohnehin bereits ganz anderes im Sinn als die Fortsetzung ihrer bundespolitischen Karriere: Wohlwissend, dass sie im Job einer SPD-Ministerin im Bundeskabinett eine ungewisse Zukunft hat, nahm sie frühzeitig Kurs auf die Berliner Landespolitik – wo der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wegen schlechter Umfragewerte ins Straucheln geraten war.

Die Berliner SPD wählte Giffey dann im vergangenen Herbst mit starken 89 Prozent neben dem Berliner Fraktionschef Raed Saleh zur Landesparteichefin Im April dieses Jahres wurde die Mutter eines Sohnes und Diplom-Verwaltungswirtin schließlich mit ebenfalls beachtlichen 85,7 zur Spitzenkandidatin in der Hauptstadt gekürt. Obwohl die Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit im Bereich Politikwissenschaft wie ein Damoklesschwert über ihr hing, scharte sich die Berliner SPD um ihre prominente Kandidatin.

Dabei bleibt die Landespartei auch nach dem Rücktritt – und versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. „Die Berliner SPD geht nun mit einer Spitzenkandidatin in den Wahlkampf, die sich mit ganzer Kraft auf ihre Herzenssache Berlin konzentriert“, erklärte Ko-Landeschef Saleh am Mittwoch unverdrossen.

Immerhin hat die SPD mit Giffey die bekannteste Spitzenkandidatin in Berlin und konnte laut Umfragen zuletzt in der Wählergunst leicht zulegen. Doch ob sich das fortsetzt, ist ungewiss. Salehs Auffassung, Giffey erfülle „höchste Ansprüche an politische Integrität“, teilt in der Hauptstadt nämlich nicht jeder. Auf Twitter hagelte es nach Giffeys Rücktrittsankündigung Hohn und Spott. Auch ihren Parteifreunden dürfte klar sein, dass der Wahlkampf mit einer zurückgetretenen Ministerin nicht leichter wird.

Schließlich hat Giffey noch mit anderem Ungemach zu kämpfen. Ihr Ehemann machte vor einiger Zeit Negativ-Schlagzeilen: Er verlor seinen Beamtenjob beim Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, weil er seine Arbeitszeiten falsch erfasst und Dienstreisen abgerechnet hatte, die es gar nicht gab. Der Fall steht zwar längst im Schatten der Plagiatsaffäre. Doch hilfreich für den Wahlkampf ist beides nicht.

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