Der Iran verfügt nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) über 16 Mal mehr angereichertes Uran als im internationalen Atomabkommen von 2015 vereinbart. Die Bestände würden auf 3241 Kilogramm geschätzt, hieß es am Montag in einem Bericht der Behörde. IAEA-Chef Rafael Grossi beklagte außerdem fehlende Informationen der iranischen Regierung zu verdächtigen Anlagen, die möglicherweise für nukleare Aktivitäten genutzt worden seien.
Er sei „besorgt, dass die technischen Diskussionen zwischen der IAEA und dem Iran nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht haben“, hieß es in dem Bericht. Ziel dieser Gespräche ist Klarheit über mögliches Atommaterial an mehreren Standorten.
Es gebe „klare Hinweise darauf, dass nukleares Material und/oder durch nukleares Material kontaminierte Ausrüstung“ an drei nicht deklarierten Standorten vorhanden war, hieß es in dem Bericht weiter. Die IAEA erwähnt zudem einen vierten Standort, zu dem „der Iran nicht auf die Fragen der Agentur geantwortet hat“.
Dem Bericht zufolge verfügt Teheran inzwischen über 62,8 Kilogramm auf 20 Prozent angereichertes Uran sowie über 2,4 Kilogramm 60-prozentig angereichertes Material. Das Atomabkommen von 2015 gestattet dem Iran lediglich eine Urananreicherung von 3,67 Prozent für eine zivile Nutzung der Atomenergie. Zudem wurde eine Obergrenze von 202,8 Kilogramm vereinbart.
Bereits im Januar hatte der Iran aber mit der Erhöhung der Urananreicherung auf 20 Prozent begonnen. Im April kündigte Teheran dann eine Anreicherung auf 60 Prozent an. Dies löste international Besorgnis aus. Der Schwellenwert der Urananreicherung für eine militärische Nutzung von Atomkraft liegt bei 90 Prozent.
Die IAEA konnte wegen iranischer Zugangsbeschränkungen nicht den gesamten Bestand kontrollieren, wie ein mit dem Verfahren vertrauter Diplomat erklärte. Die Daten zum angereicherten Material seien jedoch zutreffend. Kommende Woche wird der Gouverneursrat der IAEA über den Bericht beraten.
Das Tempo der Anreicherung hat sich aber offenbar nach einer Explosion in der iranischen Atomanlage Natans im April verlangsamt. Für den Vorfall hatte Teheran Israel verantwortlich gemacht.
Derzeit laufen in Wien Verhandlungen über eine Wiederbelebung des internationalen Atomabkommens von 2015. Die Vereinbarung soll verhindern, dass der Iran die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe erlangt. Die USA waren 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus der Vereinbarung ausgestiegen und hatten neue massive Sanktionen gegen den Iran in Kraft gesetzt. Als Reaktion zog sich Teheran schrittweise von seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen zurück.
Die Regierung des im Januar angetretenen US-Präsidenten Joe Biden hat sich grundsätzlich zu neuen Verhandlungen mit dem Iran bereit erklärt. Sie dringt allerdings darauf, dass das Land zunächst zu seinen Verpflichtungen aus dem Abkommen zurückkehren müsse. Der Iran wiederum macht die Aufhebung von US-Strafmaßnahmen zur Vorbedingung.
Direkt mit dem Iran über das Atomabkommen aus dem Jahr 2015 verhandeln die EU, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland. Auch eine US-Delegation ist in Wien anwesend. Sie sitzt aber nicht mit den iranischen Vertretern an einem Tisch.