Kurz vor der Sommerpause haben sich die Fraktionen von Union und SPD auf das Gesetz zur Stärkung der Position von Frauen in Unternehmensvorständen geeinigt. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach von einem „großen Erfolg“; die Union betonte, sie habe in den Verhandlungen noch Verbesserungen durchsetzen können. Die Grünen kritisierten einen „nochmals abgeschwächten“ Gesetzentwurf – die Koalition habe sich „mit letzter Kraft zum Quötchen“ durchgerungen.
Lambrecht erklärte am Freitag, mit dem Gesetz müsse künftig ab vier Vorstandsmitgliedern mindestens eine Frau am Tisch sitzen. Das sei ein Meilenstein für die Frauen in Deutschland und biete gleichzeitig eine große Chance sowohl für die Gesellschaft als auch für die Unternehmen selbst.
Es betrifft börsennotierte und zugleich paritätisch mitbestimmte Unternehmen der Privatwirtschaft – laut Justizministerium sind über 70 Unternehmen betroffen, von denen aktuell 31 keine Frau im Vorstand haben. In Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes soll in Vorständen mit mehr als zwei Mitgliedern mindestens eine Frau sitzen.
Lambrecht hatte zuletzt Mitte Mai der Union eine Blockadehaltung bei dem Gesetz vorgeworfen. Nun habe die SPD-Bundestagsfraktion „die Blockaden der Union erfolgreich durchbrochen“, erklärte deren Vize-Vorsitzende Katja Mast.
Die Union erreichte, dass die Übergangsfrist von acht Monaten auf ein Jahr verlängert wird, wie die Vize-Vorsitzende der Bundestagsfraktion Nadine Schön (CDU) hervorhob. Damit werde Unternehmen ein „realistischer Zeitraum für die Kandidatinnenauswahl“ gegeben. Mittelständische Krankenkassen mit zwei Vorständen erhielten zudem die Möglichkeit der einmaligen Wiederbestellung. „Beide Maßnahmen zielen auch darauf, die Akzeptanz für das Gesetz zu verbessern“, erklärte Schön.
SPD wie Union betonten, sie hätten die Verhandlungen genutzt, um auch eine gleichstellungspolitische Lücke zu schließen: Für Vorstandsmitglieder gebe es künftig einen rechtlichen Anspruch auf Mutterschutz, Elternzeit und die Pflege von Familienangehörigen. Auszeiten bis zu drei Monate für Elternzeit, Pflege von Angehörigen oder Krankheit dürften Vorstandsmitgliedern künftig nur dann versagt werden, wenn wichtige unternehmerische Interessen entgegenstehen, erläuterte Schön.
Justizministerin Lambrecht erklärte, es gebe in den Vorständen immer noch reine Männerclubs, die gern unter sich bleiben. „Damit wird zukünftig Schluss sein.“
Quotenregelungen wirkten – „und zwar nachhaltig“, zeigte sich die Ministerin überzeugt. Die 2015 eingeführte Quote für die Aufsichtsräte habe bereits gezeigt, dass die Regelungen nicht nur die Zusammensetzung der Führungsgremien verändern, sondern sich auf die gesamte Unternehmenskultur auswirken. „Damit geben wir qualifizierten und motivierten Frauen die Möglichkeiten, die sie verdienen. Das ist längst überfällig.“
Ulle Schauws, Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Frauenpolitik, und Claudia Müller, Sprecherin für Mittelstandspolitik, kritisierten dagegen: „Die Botschaft des novellierten Führungspositionengesetzes bleibt: Frauen dürfen mitbestimmen, aber nur ein bisschen.“ Angesichts der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der börsennotierten Unternehmen bis heute keine Frau im Vorstand habe, sei das ein Armutszeugnis.
Die Grünen-Politikerinnen forderten einen Kulturwandel hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und Diversität jetzt. „Wir können nicht ewig warten, bis für Frauen der Weg in die Führungs-und Entscheidungsriegen nicht mehr so steinig ist wie heute.“ Um die kritische Masse zu erreichen, brauche es einen Frauenanteil von mindestens einem Drittel. Deshalb sei eine Mindestquote von 33 Prozent für Unternehmensvorstände börsennotierter und mitbestimmter Unternehmen bei der Neubesetzung von Vorstandsposten nötig.