Der polnische Menschenrechtsbeauftragte Adam Bodnar hat der EU vorgeworfen, zu zögerlich auf die Verstöße der nationalkonservativen Regierung in Warschau gegen Rechtsstaatsprinzipien zu reagieren. Die seit 2015 regierende Partei für Recht und Gerechtigkeit (PIS) „drängt das Parlament an den Rand und hat sich das Verfassungsgericht, die Staatsanwaltschaft, die öffentlich-rechtlichen Medien sowie verschiedene Justizorgane unterworfen“, sagte Bodnar in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.
In der Vergangenheit habe die EU-Kommission dank ihrer Reaktionen immer wieder Einfluss auf die Entwicklungen geübt, sagte der 44-jährige Ombudsmann weiter. Dies habe sich seit Amtsantritt von EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen im Jahr 2019 geändert: „Ich habe das Gefühl, dass es eine ständige Suche nach einem vermeintlichen Kompromiss, nach Konsens und Dialog mit der polnischen Regierung gab, was nicht wirklich etwas bewirkt hat“.
In der Zwischenzeit habe die PiS-Regierung weitere Änderungen eingeführt und verfestigt und sich zunehmend darum gekümmert, „die Grenzen bei der Unterordnung der Justiz zu verschieben“, kritisierte Bodnar. „Und selbst wenn die Kommission reagierte, kam dies zu spät angesichts dessen, was nötig gewesen wäre.“
Bodnar wurde kurz vor Antritt der PiS-Regierung 2015 in das Amt des Ombudsmann gewählt. Er setzt sich seitdem vehement für die Grundrechte der Bürger ein und wirft der Regierung immer wieder vor, den polnischen Rechtsstaat auszuhöhlen. Formell endete seine Amtszeit im vergangenen September. Die Regierung versucht seitdem, ihn durch einen Kandidaten ihrer Wahl zu ersetzen.
Doch alle Kandidaten der Koalition um die PiS fielen durch, weil sich die beiden Parlamentskammern nicht einigen konnten. Die Regierungskoalition hat eine hauchdünne Mehrheit im Unterhaus, der Senat wird von der Opposition kontrolliert.
Mitte April entschied das polnische Verfassungsgericht unter dem Vorsitz der von der PiS ernannten Richterin Julia Przylebska, dass Bodnar seinen Posten binnen drei Monate räumen müsse. Auch ohne einen Nachfolger sei eine Verlängerung seines Mandats nicht verfassungskonform, entschied das Gericht. Was passiert, wenn kein Nachfolger gefunden wird, ist unklar.
Bodnar sieht den Streit um das Amt als eine weitere Konsequenz der PiS-Strategie. Diese wolle sicherstellen, dass der nächste Ombudsmann „nicht zu unabhängig ist und nicht in der Lage, die Regierenden ständig zu kontrollieren“, sagte er.