Bundesregierung bekräftigt Skepsis bei Patent-Aussetzung für Corona-Impfstoffe

Jens Spahn - Bild: REUTERS/Hannibal Hanschke/Pool

Vor den Beratungen auf dem EU-Gipfel über Forderungen nach einer Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe hat die Bundesregierung ihre skeptische Haltung bekräftigt. „Das Hauptthema ist nicht die Frage von Patenten, sondern von Produktionskapazitäten“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag. Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer nannte fehlende Kapazitäten den „limitierenden Faktor“. Nach einem Vorstoß aus den USA soll der Patentschutz auch Thema auf dem am Freitagabend beginnenden EU-Gipfel in Portugal sein.

Der für den Aufbau der Produktionskapazitäten notwendige Technologietransfer lasse sich leichter in einem kooperativen Ansatz bewerkstelligen, hob Spahn hervor. Der Gesundheitsminister verwies darauf, dass sich etwa die modernen mRNA-Impfstoffe wie der von Biontech/Pfizer „nicht einfach per Lizenz mal irgendwo produzieren“ ließen. Wichtig seien hier Kooperationen, wie es sie auch beispielsweise mit Indien und Südafrika bereits gebe.

Auch Vizeregierungssprecherin Demmer zeigte sich überzeugt, dass nicht die Patente das Problem seien. Sie verwies ebenfalls auf die fehlenden Produktionskapazitäten sowie die hohen Qualitätsstandards der Vakzine als „limitierenden Faktor“ bei der Herstellung von Impfstoffen. Der Schutz von geistigem Eigentum sei zudem eine „Quelle von Innovation und sollte es auch in Zukunft bleiben“.

Der Bundesregierung sei es aber „grundsätzlich ein sehr großes Anliegen, dass die ganze Welt mit Impfstoffen versorgt“ werde, sagte Demmer. Das zeige sich auch am Engagement in der Covax-Initiative.

Spahn hob ebenfalls hervor, er halte es für wichtig, weltweit mehr Impfstoffe zur Verfügung zu stellen „und auch bezahlbar zu machen“. Allerdings habe Deutschland „als Innovationsstandort auch ein Interesse daran, dass es geistiges Eigentum gibt“, rechtfertigte er sein Festhalten an Patentrechten der beteiligten Firmen gegen Kritik. Es gehe hier auch um die Anerkennung von Forschungsleistungen, die „wir gerade gefeiert haben“.

Die US-Regierung hatte am Mittwoch signalisiert, dass sie eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe unterstützen werde, um die Produktion von Impfstoffen international hochfahren zu können. Die Frage soll auch Thema auf dem zweitägigen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs sein, der am Freitagabend in der portugiesischen Hafenstadt Porto beginnt.

Die deutsche Industrie wandte sich vehement gegen eine Aussetzung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe. Damit werde das Ziel, die Pandemie wirksam einzudämmen, „nicht schneller erreicht“, erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Es sei ein „Trugschluss, dass angesichts voll ausgelasteter Produktionskapazitäten nach der Patentfreigabe auch nur eine Impfdosis mehr hergestellt würde“ als derzeit. Der Patentschutz habe sich zudem als „Grundlage jeder Innovation“ bewährt.

Der Chemieverband VCI begrüßte die zurückhaltende Haltung der Regierung beim Thema Patentschutz und warnte ebenfalls „eindringlich“ davor, den Schutz geistigen Eigentums für Innovationen aufzuweichen. Andernfalls könne das Vertrauen von Wissenschaft und Wirtschaft darin erschüttert werden, „dass die Arbeit an innovativen Projekten in einem sicheren Rahmen planbar ist und sich auszahlt“.

Auch die FDP warnte vor negativen Folgen einer Aussetzung des Patentschutzes. In der Corona-Pandemie seien weltweit mehr als 250 Unternehmen an einem Wettbewerb beteiligt gewesen, möglichst schnell einen Impfstoff auf den Weg zu bringen, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann im RBB. Wenn diesen jetzt gesagt werde, „ja wunderschön, Ihr habt einen Preis gewonnen, aber dafür nehmen wir Eure Patente weg, sind natürlich die Anreize weg, hier auch weiter Forschung zu betreiben“.

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