Nach der erzwungenen Landung einer Ryanair-Maschine in Minsk haben zahlreiche Fluggesellschaften angekündigt, den belarussischen Luftraum vorerst zu meiden. Die Fluggesellschaften Lufthansa, SAS und AirBaltic hatten bereits am Montag angekündigt, ihre Flugrouten anzupassen. Air France, Finnair, KLM, Singapore Airlines und die japanische ANA zogen am Dienstag nach.
Laut Eurocontrol, der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt, nutzen im Durchschnitt rund 2500 Flugzeuge wöchentlich den belarussischen Luftraum. Wie viele Lufthansa-Flüge nun umgeleitet werden müssen, konnte ein Sprecher der Airline auf Anfrage nicht sagen. Es werde davon ausgegangen, dass es durch die Umleitungen „zu keinen Verspätungen oder Verzögerungen für die Kunden“ kommen wird. Ob der für Mittwoch geplante Flug nach Minsk stattfinde, sei noch unklar.
Auch der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg rechnet mit geringen Auswirkungen auf den internationalen Flugverkehr. „Man kann Weißrussland nördlich oder südlich gut umfliegen“, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Außerdem gebe es aufgrund der Pandemie derzeit nur wenige Flüge nach Asien. Ein Sprecher der japanischen ANA teilte ebenfalls mit, dass die Vermeidung von Belarus „nur begrenzte Konsequenzen haben wird, da es eine große Auswahl an Routen gibt“.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Airlines, die Belarus meiden, sind deshalb laut Luftfahrtexperte Schellenberg gering. Es treffe eher das Land selbst: „Normalerweise nimmt die belarussische Regierung Devisen ein, wenn Flugzeuge über ihren Luftraum fliegen oder dort landen, diese Einnahmen fallen jetzt weg.“ Er gehe jedoch davon aus, dass die Regierung dies bewusst einkalkuliert habe. Einige Airlines nutzen den belarussischen Luftraum außerdem weiterhin. Am Dienstagmorgen flogen laut FlightRadar24 russische und chinesische Flugzeuge weiterhin über das osteuropäische Land.
Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius unter dem Vorwand einer Bombendrohung und mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der in Polen und Litauen im Exil lebende Regierungskritiker Roman Protassewitsch und seine aus Russland stammende Freundin festgenommen.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten daraufhin am Montagabend die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus Belarus sowie ein Landeverbot auf EU-Flughäfen vereinbart. Sie riefen Airlines aus der EU auf, das autoritär regierte Land nicht mehr zu überfliegen.