Vom Autohändler zum Gesicht der AfD in Sachsen-Anhalt: Oliver Kirchner legte in wenigen Jahren eine politische Blitzkarriere hin. Selbstbewusst formulierte er vor der Wahl sein Ziel – so stark zu sein, „dass ohne uns nichts mehr geht“. Das gelang ihm bei weitem nicht. Zwar wurde die AfD wie 2016 zweitstärkste Kraft, doch der Wahlsieger CDU baute seinen Vorsprung deutlich aus.
Er sei trotz der leichten Stimmenverluste „durchaus zufrieden“, sagte der 55-Jährige am Wahlabend. Zugleich beschwerte sich Kirchner, der als Rechtsaußen in der Partei gilt, die AfD sei im Wahlkampf „mit Hetze überkippt“ worden.
Kirchner, der zum rechtsnationalen, inzwischen formal aufgelösten sogenannten Flügel gehörte, steht seit 2018 an der Spitze der AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag. Von den einst 25 Landtagsabgeordneten blieben nach einigen Abgängen noch 21. Doch nach wie vor bildete die AfD im Parlament die stärkste Oppositionsfraktion – schließlich hatte sie bei der Wahl vor fünf Jahren aus dem Stand 24,3 Prozent geholt.
An die Fraktionsspitze rutschte Kirchner, nachdem der in der eigenen Partei umstrittene Landes- und Fraktionschef André Poggenburg vor drei Jahren nach internen Machtkämpfen und vielkritisierten Äußerungen zurückgetreten war. Drei Abgeordnete hatten die Fraktion mit Verweis auf einen „Rechtsruck“ schon vorher verlassen. Der Landesverband Sachsen-Anhalt zählt zu den radikalsten in der AfD, er wird seit Anfang des Jahres vom Verfassungsschutz beobachtet.
Kirchner, der sich als „nationalkonservativ denkenden und handelnden Politiker“ beschreibt, hatte die Fraktion zumindest nach außen gut im Griff. Wie Poggenburg und der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke zählt Kirchner zu den Unterzeichnern der sogenannten Erfurter Resolution von 2015, hinter der sich die nationalkonservativen Kräfte der Partei versammeln und die als Gründungsurkunde des „Flügels“ gilt.
Der gelernte Kfz-Mechaniker arbeitete nach einer Weiterbildung zum Automobilkaufmann als Selbstständiger. Der Magdeburger, der 2016 mit einem Direktmandat in den Landtag einzog, ist seit 2014 in der AfD. Seit zwei Jahren sitzt er auch im Magdeburger Stadtrat.
In der Fraktion fungierte er als Sprecher für Arbeit, Soziales und Integration. Der Mann mit den kurzgeschorenen Haaren fällt manchmal durch seine brachiale Wortwahl auf. Nach seiner Lesart liegen viele Flüchtlinge dem Sozialstaat auf der Tasche, der sich doch besser um deutsche Familien kümmern sollte. Die AfD sieht er als „die letzte evolutionäre Chance, dieses Land von einem wackligen Multikulti-Öko-Sozi-Buntland-Fundament auf ein Stahlbetonfundament zu stellen“.
Schlagzeilen machte der zweifache Vater vor einigen Jahren durch Medienberichte, wonach er sich in geschlossenen rechtsradikalen Facebook-Gruppen tummeln soll. Dazu sagte Kirchner, er nutze diese ausschließlich, um seine Landtagsreden per Video zu verbreiten.
Kirchner scheut keine Avancen gegenüber der CDU. Während des Streits um die Rundfunkgebühren, an dem die schwarz-rot-grüne Koalition in Magdeburg Ende 2020 fast zerbrach, warb Kirchner bei den Christdemokraten unverhohlen um Zusammenarbeit. Mit der gemeinsamen Ablehnung der Beitragserhöhung im Parlament wollte er „ein Zeichen“ setzen. Dazu kam es nicht.
Tatsächlich aber sind Teile in Sachsen-Anhalts CDU für Kooperationen mit der AfD offen. Doch der amtierende Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Reiner Haseloff bildete eine Brandmauer nach rechts. Auch CDU-Landeschef Sven Schulze stellte unmissverständlich klar, „dass es unter meiner Führung auch nach der Landtagswahl keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD und den Linken geben wird“.
Es werde sich wohl „die erste und zweite Riege bei der CDU verändern“ müssen, bevor eine Zusammenarbeit vorstellbar sei und „wir mit denen etwas machen wollen“, meinte Kirchner kürzlich. Für die nächsten Jahre darf er mit den anderen AfD-Abgeordneten wieder auf der Oppositionsbank Platz nehmen.