Vor dem EU-Gipfel kommende Woche hat der europäische Außenbeauftragte Josep Borrell eine dreiteilige Strategie zum künftigen Umgang mit Russland vorgeschlagen. Die EU müsse Moskau „zurückdrängen, einschränken und einbinden“, sagte Borrell am Mittwoch. Gleichzeitig müsse die EU aktiver und vorausschauender in ihrer Russland-Politik werden, und die Mitgliedstaaten müssten auf Einzeldeals mit Moskau verzichten.
Eine enge Partnerschaft mit Russland sei nach den Ereignissen der vergangenen Jahre „eine entfernte Perspektive“, sagte Borrell. Moskau habe klar gemacht, „dass es nicht daran interessiert ist, sich mit der Europäischen Union einzulassen“. Die russische Führung ziehe es vor, „direkt mit (…) einigen Mitgliedstaaten zu reden“, um die EU zu spalten.
Deshalb müssten die EU-Regierungen verstehen, dass sie nicht jeweils für sich alleine „bilaterale Deals mit Russland schließen können“, sagte Borrell. „Wenn alle sagen: Ihr müsst mit der Europäischen Union sprechen, dann muss Russland mit der Europäischen Union sprechen oder mit niemandem.“
In seiner Dreier-Strategie schlägt Borrell im Bereich des Zurückdrängens vor, Russland bei Menschenrechtsverletzungen oder dem Bruch von Völkerrecht wie im Ukraine-Konflikt klar entgegenzutreten. Gleichzeitig müsse die EU „robuster and widerstandsfähiger“ werden und ihre Kapazitäten bei Cybersicherheit und im Verteidigungsbereich ausbauen, um sich gegen Versuche Russlands zu wappnen, die EU zu untergraben.
Borrell schlägt in diesem zweiten Bereich der Einschränkung vor, auch den „Hebel“ des Wandels in der EU-Energieversorgung gegenüber dem wichtigen Öl- und Gasexporteur Russland zu nutzen. Konkret blieb er aber hier vage. Auf eine Frage nach der russisch-deutschen Pipeline Nord Stream 2 sagte der Spanier, es sei „kein europäisches Projekt“ und trage nicht zum Ziel der Diversifizierung der Energiequellen der EU bei.
Einbinden will Borrell Russland unterdessen in „Schlüsselbereichen“, die für die EU von Interesse sind. Er nannte den Kampf gegen den Klimawandel oder die Atomgespräche mit dem Iran. Er lehnte es aber ab, an diese Fragen vorab Bedingungen aus anderen Bereichen zu knüpfen. „Russland ist ein notwendiger Akteur und manchmal ist es unvermeidlich, mit ihm zu sprechen.“
Wegen des Ukraine-Konflikts hat die EU seit 2014 umfassende Sanktionen gegen Russland verhängt. Sie brachten Präsident Wladimir Putin aber nicht zum Einlenken.
In den vergangenen Wochen wuchsen die Spannungen im beiderseitigen Verhältnis – so reagierte Moskau etwa auf europäische Sanktionen wegen der Inhaftierung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny seinerseits mit Sanktionen gegen EU-Vertreter.
Die Staats- und Regierungschefs hatten Borrell im Mai aufgefordert, beim Juni-Gipfel „Handlungsoptionen“ für das weitere Verhältnis zu Russland zu präsentieren. Borrells Vorschläge sollen nun von den Mitgliedstaaten bewertet und gegebenenfalls angepasst werden.