I can’t breathe“: Der qualvolle Tod von George Floyd am 25. Mai 2020 sorgte international für Entsetzen und Empörung. Genau 13 Monate nach der Tötung des Afroamerikaners in der US-Stadt Minneapolis wird am Freitag das Strafmaß gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin verkündet. Dem 45-Jährigen droht eine jahrzehntelange Gefängnisstrafe, die Staatsanwaltschaft hat 30 Jahre Haft gefordert.
Floyds auf einem Handyvideo festgehaltener Tod hatte in den USA landesweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze ausgelöst. Entsprechend groß ist die Spannung vor der Strafmaßverkündung.
Schuldig in allen Punkten
Chauvin hatte dem festgenommenen Floyd, der mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein Zigaretten gekauft haben soll, auf offener Straße neuneinhalb Minuten lang das Knie in den Nacken gedrückt. „I can’t breathe“ – „Ich kann nicht atmen“ oder „Ich bekomme keine Luft“ – rief Floyd immer wieder, bevor er das Bewusstsein verlor. Der 46-Jährige wurde später in einem Krankenhaus für tot erklärt.
In einem aufsehenerregenden Prozess sprach eine Geschworenen-Jury den nach Floyds Tod von der Polizei entlassenen Chauvin am 20. April in allen Anklagepunkten schuldig: Mord zweiten Grades, was in Deutschland in etwa einem Totschlag in einem schweren Fall entspricht, Mord dritten Grades – eine andere Form des Totschlags – und Totschlag zweiten Grades, in Deutschland etwa fahrlässige Tötung.
Der bis dahin gegen Kaution freigelassene Chauvin wurde direkt nach dem Schuldspruch in Haft genommen. Die Verkündung des Strafmaßes, die in den USA erst in einem zweiten Schritt erfolgt, wurde später auf den 25. Juni festgelegt.
Die Zeichen stehen auf eine lange Haftstrafe
Auf den relevanten Hauptanklagepunkt Mord zweiten Grades steht im Bundesstaat Minnesota, in dem sich Minneapolis befindet, eine Höchststrafe von 40 Jahren Gefängnis. Die Richtlinien des Bundesstaates empfehlen bei jemandem, der wie Chauvin nicht vorbestraft ist, allerdings lediglich zwölfeinhalb Jahre Haft.
Im Mai erkannte der Vorsitzende Richter Peter Cahill aber vier erschwerende Tatumstände an: Chauvin habe mit „besonderer Grausamkeit“ gehandelt, als Polizist „eine Position des Vertrauens und der Autorität missbraucht“ habe, seine Tat vor den Augen von Minderjährigen verübt und in einer Gruppe mit anderen Beamten gehandelt. Das macht den Weg frei für eine Abweichung von den Richtlinien – und damit für eine deutlich längere Haftstrafe.
Die Staatsanwaltschaft hat 30 Jahre Gefängnis gefordert. Die Verteidigung dagegen hat beantragt, dass Chauvins Zeit in Untersuchungshaft berücksichtigt und zusätzlich nur eine Bewährungsstrafe verhängt wird.
Kein Schlussstrich unter den Fall Floyd
Die Verkündung des Strafmaßes gegen Chauvin bedeutet kein Ende der juristischen Aufarbeitung von Floyds Tod. Chauvins Anwalt will den Schuldspruch vom April annullieren lassen.
Außerdem wurden neben Chauvin auch die drei anderen an Floyds Festnahme beteiligten Polizisten angeklagt. Alexander Kueng, Thomas Lane und Tou Thao wird unter anderem Beihilfe zu einem Mord zweiten Grades zur Last gelegt. Der zunächst für August geplante Prozess gegen die drei Männer wurde auf kommenden März verschoben.
Darüber hinaus laufen Ermittlungen auf Bundesebene gegen Chauvin, Kueng, Lane und Thao. Dabei geht es um eine Verletzung von Floyds in der Verfassung verankerten Bürgerrechten. Es handelt sich um ein getrenntes Verfahren von jenem auf Landesebene – und kann deswegen auch zu einem separaten Prozess führen.
Zivilrechtlich hatte sich Floyds Familie mit der Stadt Minneapolis auf eine Entschädigungszahlung von 27 Millionen Dollar (23 Millionen Euro) geeinigt. Das ist nach Angaben der Anwälte ein Rekord in einem solchen Fall.