Wegen rechtsextremer Chatgruppen ermitteln die Behörden in Hessen gegen 20 Polizisten, darunter auch Spezialeinsatzkräfte. Sie sollen volksverhetzende Inhalte verbreitet haben, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das Landeskriminalamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilten. Unter anderem wird ihnen das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vorgeworfen. Am Morgen durchsuchten Einsatzkräfte die Wohnungen von sechs Beschuldigten und ihre Arbeitsplätze im Polizeipräsidium Frankfurt am Main.
Bei den Beschuldigten handelt es sich den Angaben zufolge um einen ehemaligen Polizisten und 19 aktive Beamte, denen das Führen der Dienstgeschäfte verboten wurde. Einer von ihnen solle suspendiert werden, hieß es. Die Chatinhalte sollten zudem auf eine dienstrechtliche Relevanz überprüft werden. Überwiegend stammen die Beiträge aus den Jahren 2016 und 2017. Die letzten relevanten Inhalte wurden in Chats von Anfang 2019 festgestellt.
17 der 20 Beschuldigten werfen die Ermittler vor, als Teilnehmer von Chatgruppen aktiv volksverhetzende Inhalte und Abbildungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation verbreitet zu haben. Gegen die anderen drei Beschuldigten wurden Ermittlungen wegen Strafvereitelung im Amt aufgenommen, weil sie Teilnehmer der Chatgruppen waren und als Vorgesetzte die Kommunikation nicht unterbunden und geahndet hatten. Die Beschuldigten sind zwischen 29 und 54 Jahre alt.
Ausgangspunkt des Verfahrens waren Ermittlungen gegen einen 38-jährigen Beamten eines Spezialeinsatzkommandos des Frankfurter Polizeipräsidiums unter anderem wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinderpornografie. Bei der Auswertung seines Smartphones entdeckten die Ermittler mehrere Chats, in denen sie zum Teil strafrechtlich relevante Inhalte und zahlreiche weitere Teilnehmer der Chatgruppen identifizieren konnten. Seit Mitte April führt die Staatsanwaltschaft Frankfurt die Ermittlungen.
Die Razzia sollte „nun auch dem letzten Polizisten deutlich machen, dass jeglichem Fehlverhalten konsequent strafrechtlich und disziplinarisch nachgegangen wird“, erklärte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU). Er habe mehrfach deutlich gemacht, dass er ein solches Verhalten nicht dulde. „Der aktuelle Fall ist leider ein weiterer Beleg dafür, dass die Polizei diesbezüglich noch viel Arbeit vor sich hat“, erklärte Beuth. Unabhängig vom Ausgang der Ermittlungen stehe für ihn fest, dass keiner der Beschuldigten künftig in einer hessischen Spezialeinheit arbeiten werde.
Laut dem Frankfurter Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill handelt es sich bei einem großen Teil der Beschuldigten um aktive Beamte des Frankfurter Spezialeinsatzkommandos (SEK). Er kündigte eine Umgruppierung und Neuorganisation der Einheit an. „Die Einsatzfähigkeit der Spezialeinheiten ist dennoch jederzeit gewährleistet“, sagte Bereswill vor Journalisten. Die durch das Dienstverbot der betroffenen Beamten entstehenden Lücken würden durch Einsatzkräfte anderer Sondergruppen gefüllt.
„Die Integrität der Polizei ist ein immens hohes Gut“, sagte Bereswill. „Ich erwarte von allen Angehörigen des Polizeipräsidiums, dass sie jederzeit in Übereinstimmung mit den eigenen Werten für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten.“ Die kommenden Tage und Wochen würden für das Frankfurter Polizeipräsidium eine „große Herausforderung“.
Die Linke kritisierte den Umgang der Polizei mit rechtsextremen Beamten in den eigenen Reihen. „Immer wieder ist reflexhaft die Rede von bedauerlichen Einzelfällen“, erklärte Parteichefin Janine Wissler am Mittwoch. Soldaten und Polizisten seien in den vergangenen Jahren immer wieder rechtsradikal oder rechtsterroristisch in Erscheinung getreten. Politisch Verantwortliche seien gefordert, rechte Strukturen zu erkennen und zu bekämpfen.
Bereits Ende 2018 waren rechtsextreme Chatgruppen innerhalb der hessischen Polizei bekannt geworden. 2019 leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungen gegen einen leitenden Polizeibeamten aus Mühlheim am Main wegen rechtsextremer Chats ein. Im Februar 2021 erhob die Behörde unter anderem wegen Volksverhetzung Anklage gegen zwei ehemalige Polizisten.