Nach der Ausstrahlung eines augenscheinlich erzwungenen Interviews mit dem belarussischen Regierungskritiker Roman Protassewitsch hat der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff eine Ausweitung der Sanktionen gegen Belarus gefordert. „Das Regime in Minsk muss getroffen werden, wo es wehtut: im Staatshaushalt“, sagte Lambsdorff dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstagsausgaben). „Deswegen sind die Sanktionen gegen die staatliche Airline richtig und deswegen muss jetzt auch ein Embargo gegen den Kalisektor vorbereitet werden.“
Lambsdorff forderte auch die politische und finanzielle Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft. Auch müsse sich die EU weiter für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus einsetzen.
Seit diesem Samstag ist der EU-Luftraum für belarussische Flugzeuge geschlossen. Auf die Strafmaßnahme hatten sich die EU-Botschafter nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugzeugs in Minsk geeinigt, in deren Zuge der Regierungskritiker Protassewitsch sowie seine Freundin Sofia Sapega festgenommen worden waren. Die Maßnahme bedeutet, dass Airlines aus Belarus in keinem der 27 EU-Mitgliedstaaten starten, landen oder den Luftraum durchfliegen dürfen.
Wegen des Vorfalls werden in der EU auch Sanktionen gegen den für die belarussische Wirtschaft wichtigen Kali- und Phosphatsektor diskutiert. Bereits nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen Jahr hatte die EU Sanktionen gegen Minsk verhängt. Nach der Wahl hatte es in Belarus Massenproteste gegen den autoritär regierenden Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko gegeben. Die belarussischen Behörden gingen massiv gegen die friedlichen Demonstranten vor.
Ein vom belarussischen Staatsfernsehen am Donnerstag veröffentlichtes Interview mit Protassewitsch nannte Lambsdorff „ein makabres Schauspiel mit Lukaschenko als Regisseur“. Protassewitschs Aussagen in dem Interview seien „höchstwahrscheinlich unter physischem, ganz sicher aber unter enormem psychischen Druck getätigt worden“.
Bereits am Freitag hatte die Bundesregierung das Interview mit Protassewitsch als „Schande“ für die belarussische Führung bezeichnet. Protassewitsch bekennt sich in dem am Donnerstag ausgestrahlten Interview im belarussischen Staatsfernsehen dazu, zu Protesten aufgerufen zu haben. Auch lobt der 26-Jährige, der sich in dem eineinhalbstündigen Video erkennbar unwohl fühlt, den belarussischen Machthaber Lukaschenko, bevor er in Tränen ausbricht.