Von der Leyen bezeichnet Ungarns Homosexuellen-Gesetz als „Schande“

Ursula von der Leyen - Bild: European Union, 2020
Ursula von der Leyen - Bild: European Union, 2020

In der Debatte über das umstrittene ungarische Homosexuellen-Gesetz wächst der Druck auf die Regierung in Budapest. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete das Gesetz am Mittwoch als „Schande“. Es diskriminiere Menschen „aufgrund ihrer sexuellen Orientierung“ und verstoße gegen die „fundamentalen Werte der Europäischen Union“. Einem Protestbrief gegen das Gesetz schloss sich inzwischen mehr als die Hälfte der EU-Staaten an. Der Streit überschattet auch das EM-Spiel zwischen Deutschland gegen Ungarn am Mittwochabend.

Das Gesetz verstoße gegen die Menschenwürde, den Gleichheitsgrundsatz und grundlegende Menschenrechte, sagte von der Leyen in Brüssel. „Bei diesen Prinzipien gehen wir keine Kompromisse ein.“ Sie habe ihre zuständigen Kommissare aufgefordert, einen Brief an Ungarn zu schicken, „um unseren rechtlichen Bedenken Ausdruck zu verleihen, bevor das Gesetz in Kraft tritt“.

Sie glaube an ein „Europa der Vielfalt“, in dem „wir lieben können, wen wir wollen“, betonte die Kommissionschefin. Sie werde deshalb „alle Befugnisse der Kommission nutzen, damit die Rechte der EU-Bürger gesichert sind“.

Das von der Fidesz-Partei des rechtskonservativen Regierungschefs Viktor Orban eingebrachte Gesetz gegen „Werbung“ für Homosexualität war in der vergangenen Woche vom ungarischen Parlament verabschiedet worden. Bildungsprogramme zu Homosexualität oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Homosexuellen solidarisch erklären, werden demnach verboten, ebenso wie Aufklärungsbücher zu dem Thema. Offizielles Ziel ist der Schutz von Minderjährigen.

Zahlreiche EU-Länder protestierten in einer gemeinsamen Erklärung gegen das Gesetz und forderten die Kommission zum Handeln auf. Der am Dienstag unterzeichneten Stellungnahme schlossen sich inzwischen 17 Regierungen und damit mehr als die Hälfte der EU-Mitglieder an.

Die Regierungen äußerten in der Erklärung ihre „tiefe Besorgnis“ über das Gesetz. Es diskriminiere LGBTQI-Menschen und verletze „das Recht auf freie Meinungsäußerung unter dem Vorwand, Kinder zu schützen“. Notfalls soll die Kommission demnach auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Die EU-Kommission kann bei Verstößen von Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Dies tut sie in der Regel aber erst, nachdem eine umstrittene Regelung in Kraft getreten ist. Über mehrere Etappen kann dieses Verfahren bis zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führen.

Die Debatte verleiht auch dem letzten EM-Vorrundenspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Mittwochabend in München eine besondere Brisanz. Als Zeichen „für Weltoffenheit und Toleranz“ wollte der Münchener Stadtrat die EM-Arena bei der Partie gegen Ungarn in Regenbogenfarben beleuchten. Die Europäischen Fußball-Union (Uefa) lehnte den Antrag aber ab.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erklärte am Mittwoch, die Uefa sende damit das „falsche Signal“. Auch Frankreichs Präsident äußerte sein Unverständnis. Aus Protest gegen die Entscheidung werden am Mittwochabend mehrere deutsche Fußballarenen in Regenbogenfarben leuchten, darunter das Berliner Olympiastadion sowie die Bundesligastadien in Frankfurt, Köln und Wolfsburg.

Mehrere ungarische Vereine kündigten eine Gegenaktion an. Initiator ist der Präsident von Ungarns größtem Fußballklub Ferencvaros Budapest, Gabor Kubatov, der zugleich Vizechef der Regierungspartei Fidesz ist. „Lasst uns alle Stadien rot-weiß-grün färben!“, schrieb er auf Facebook.

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