Die Infektionsschutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie haben den Alltag vieler Menschen beeinflusst und die persönliche Anpassungsfähigkeit erheblich herausgefordert. Ältere Menschen standen und stehen hinsichtlich der direkten und indirekten gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie im besonderen Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. In der öffentlichen Debatte kam es häufig zu pauschalisierenden Aussagen über die „vulnerablen und zu schützenden Alten“, gleichzeitig wurde über Triage-Regelungen basierend auf dem Lebensalter diskutiert und tauchten in sozialen Medien neue diskriminierende Begriffe auf (beispielsweise „Boomer Remover“).
Insgesamt haben sowohl die wohlwollende, aber pauschalisierende und bevormundende Ansprache älterer Menschen als auch die Kommunikation in den sozialen Medien deutliche Diskriminierungstendenzen in den Anfängen der Corona-Pandemie zum Ausdruck gebracht. Ein Team des Deutschen Zentrums für Altersfragen hat die Befunde des Deutschen Alterssurveys hinsichtlich der indirekten Gesundheitsfolgen in der Pandemie zusammengeführt und zeigt, dass die Annahme einer grundsätzlich erhöhten Vulnerabilität älterer Menschen im späten Erwachsenenalter im Vergleich zu Menschen im mittleren Erwachsenenalter nicht haltbar ist.
Ältere Menschen haben sich in den Anfängen der Corona-Pandemie eher wenig bedroht gefühlt
Ältere Menschen haben sich in den Anfängen der Corona-Pandemie eher wenig – zumindest aber nicht stärker als Personen im mittleren Alter – durch die Pandemie bedroht gefühlt. Und trotz der vielfach ungünstigen Darstellung älterer Menschen als schutzbedürftige vulnerable Personengruppe und der damit transportierten negativen Altersstereotypen berichten nur 5,4 Prozent der Menschen in der zweiten Lebenshälfte davon, Altersdiskriminierung seit Beginn der Corona-Pandemie erlebt zu haben. Statistisch bedeutsame Zusammenhänge zwischen Alter und Diskriminierungserfahrungen waren nicht vorhanden.
Auch hinsichtlich der sportlichen Aktivität und des sozialen Wohlbefindens haben ältere Menschen im Vergleich zu Menschen mittleren Alters keine betonten Verschlechterungen gezeigt. Auch im Einsamkeitszuwachs waren keine statistisch bedeutsamen Unterschiede zwischen den Altersgruppen nachweisbar. Die Daten zeigen, dass die Corona-Pandemie in ihren Anfängen zwar tatsächlich das soziale Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt hat – die Einsamkeitsrate bei Menschen in der zweiten Lebenshälfte war nach Beginn der Corona-Pandemie deutlich erhöht – jedoch betrifft diese ungünstige Pandemiefolge keineswegs allein die Ältesten in der Bevölkerung.
Rückgang an subjektiver Gesundheit bei den Ältesten
Einzig für das Spazierengehen – als eine der wenigen erlaubten Formen des Beisammenseins im öffentlichen Raum in der Corona-Pandemie – und die subjektive Gesundheit zeichnete sich bei älteren Menschen eine ungünstigere Entwicklung ab. Zum einen berichteten die Ältesten vergleichsweise häufiger von einer Verringerung an Spaziergängen als Personen im mittleren Alter und zum anderen zeigten sie einen Rückgang der subjektiven Gesundheit, der bei den Personen im mittleren Alter nicht zu erkennen war. Der Rückgang an subjektiver Gesundheit bei den Ältesten ist allerdings nicht eindeutig auf die Corona-Pandemie zurückführbar und sollte eher als Verschlechterungstrend eingeordnet werden, der mit dem individuellen Älterwerden einhergegangen ist.
Gezielte Ansprache älterer Menschen zur Förderung leichter körperlicher Aktivität durchaus sinnvoll
Die Befunde zeigen, dass die ältere Bevölkerung in Deutschland im Hinblick auf viele gesundheitsrelevante Indikatoren resilient gegenüber den Herausforderungen des ersten Pandemiejahres gewesen ist und dass beobachtbare ungünstige Entwicklungen – wie beispielsweise im Hinblick auf den Anstieg an Einsamkeit – nicht an das Lebensalter gebunden sind. Viel mehr deuten die Befunde darauf hin, dass eine indikatorspezifische Identifikation von Risikogruppen notwendig ist. So wäre eine gezielte Ansprache älterer Menschen zur Förderung leichter körperlicher Aktivität (beispielsweise Spaziergänge) durchaus sinnvoll. Im Hinblick auf Maßnahmen zur Erhöhung des sozialen Wohlbefindens erscheint es dagegen plausibler, ein breiteres Angebot zu schaffen, da Menschen aus verschiedenen Altersgruppen gleichermaßen von der Erhöhung des Einsamkeitsrisikos im ersten Pandemiejahr betroffen waren.