Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat die Russlandpolitik der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert. „Auch wenn ich mit großem Respekt auf die Arbeit von Angela Merkel blicke, kann ich nicht gutheißen, dass sie nach 2014 noch meinte, Nord Stream II durchsetzen zu müssen“, sagte Gauck der „Rheinischen Post“ (Mittwochausgabe). „Bei Merkel standen wahrscheinlich jede Woche Herren aus der Wirtschaft im Büro und haben ihr gesagt, wie wichtig unsere konstruktiven Beziehungen zu Russland für die Wirtschaft sind, und dass Nord Stream II ein privatwirtschaftliches Projekt sei“, sagte er.
So seien Entscheidungen entstanden, die sich heute als Fehleinschätzungen herausstellten. Gauck sagte, er sei gespannt auf Merkels Memoiren: „Sie hatte ja gute politische Absichten, strebte ökonomische Stärke sowie kollektive Sicherheit in Europa an. Aber weder die Annexion der Krim noch Putins Rechtsbeugungen bewirkten eine entschlossene Abwehr des Aggressors.“
Als er 2014 mehr Verantwortung, auch militärisch, gefordert habe, hätten kurz danach die Verteidigungsministerin und der Außenminister ähnliche Reden gehalten, aber daraus sei nichts gefolgt. „Nach einem Weckruf wurde wieder auf die Schlummertaste gedrückt“, so Gauck.