Führende Migrationsexperten kritisieren den vom Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, vorgebrachten Vorschlag für eine Asylreform deutlich. „Frei hat in der Analyse des grausamen Status quo recht, aber sein Vorschlag kann diesen nicht verändern“, sagte Gerald Knaus, Leiter der Denkfabrik „Europäische Stabilitätsinitiative“, dem „Spiegel“. Durch Abschaffung des individuellen Asylrechts ließe sich irreguläre Migration in die EU nicht reduzieren.
Knaus beklagt eine „sehr deutsche Debatte“: Es gehe vor allem ums Recht, so der Wissenschaftler. „Sowohl Frei als auch seine Kritiker gehen von der Annahme aus: Ändern wir das Gesetz in der EU, ändert sich sofort etwas in der Wirklichkeit“, sagte Knaus. „Dabei wird das europäische Asylrecht an den EU-Außengrenzen durch Staaten wie Griechenland, Ungarn, Kroatien und Polen täglich ignoriert.“
Auch Ruud Koopmans, Professor für Migrationsforschung an der Berliner Humboldt-Universität, kritisiert Freis Vorstoß: Mit ihrem Vorschlag, das individuelle Recht auf Asyl ganz abzuschaffen, schieße die Union „weit übers Ziel hinaus“, sagte der Migrationsforscher dem „Spiegel“. Koopmans hält das Ende des individuellen Rechts auf Asyl rechtlich für „völlig unrealistisch“ – und für „politisch unklug“. Die CDU wecke damit bei den Wählern Erwartungen, die nicht erfüllbar seien, so Koopmans.
„So schürt sie Frust, von dem am Ende die AfD profitiert.“ Im Umgang mit Migration brauche es dringend Lösungen – „aber sie müssen praktikabel und realistisch sein“. Er begrüße, dass die Union Kontingentlösungen erwägt.
„Frei zeigt: Die Union will sich nicht ihrer humanitären Verpflichtung entziehen, sie will keineswegs die Grenzen dichtmachen“, sagte Koopmans. „Umso bedauerlicher, dass sie eine ernsthafte Debatte über die Reform des EU-Asylsystems mit ihrer Absage an das individuelle Asylrecht bereits im Keim erstickt.“