Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat größeren diplomatischen Druck auf Ungarn gefordert, um die Einhaltung von Grundrechten in dem Land durchzusetzen. Eine Diskussion über den Austritt Ungarns aus der EU lehnt sie aber ab. „Statt Austrittsdebatten zu führen, braucht es jetzt die konsequente Durchsetzung von EU-Recht“, sagte die Kanzlerkandidatin am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. „Die Bundesregierung muss endlich eine aktive Rolle der EU-Kommission einfordern.“
Mit seinem Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität hatte Ungarn zuvor beim EU-Gipfel massive Kritik auf sich gezogen. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte stellte sogar die Mitgliedschaft Ungarns in der EU in Frage.
Baerbock warf der Bundesregierung im Umgang mit Ungarn Versäumnisse vor. „Viel zu lange hat die deutsche Bundesregierung zum Abbau von Grundrechten in Ungarn geschwiegen“, sagte sie. „Dadurch hat sie sehenden Auges in Kauf genommen, wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der EU immer stärker unter Druck geraten.“
Die Bundesregierung müsse nun dafür sorgen, dass die EU-Kommission die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzt. „Anhängige Vertragsverletzungsverfahren, wie gegen das EU-rechtswidrige ungarische Hochschulgesetz, müssen fortgeführt werden, indem die EU-Kommission unverzüglich Strafzahlungen beim Europäischen Gerichtshof beantragt“, sagte Baerbock.
Das ungarische Gesetz verbietet etwa Bildungsprogramme zu Homosexualität oder Werbung von Großunternehmen, die sich mit Schwulen oder Lesben solidarisch erklären. Auch Aufklärungsbücher zu dem Thema sind demnach untersagt. Offizielles Ziel ist der Schutz von Minderjährigen.
Der ungarische Präsident Janos Ader hat die umstrittene Vorlage inzwischen unterzeichnet, sie tritt nach Veröffentlichung im Amtsblatt voraussichtlich im Juli in Kraft.
Beim Thema Grundrechte liegt Ungarn schon seit Jahren mit der EU im Clinch: Dabei geht es unter anderem um das Vorgehen der Regierung in Budapest gegen kritische Medien. Gegen das Land läuft deshalb ein Strafverfahren, das bis zum Entzug der Stimmrechte auf EU-Ebene führen kann. Bisher fehlte aber eine ausreichende Mehrheit unter den Mitgliedstaaten, um dies einzuleiten.