Du oder ich: Wer bekommt die Fernbedingung?

Fernbedingung
Fernbedingung

Krimi oder Komödie? Paaren, die den Sonntagabend gemeinsam vor dem Fernseher verbringen wollen, aber unterschiedliche Filmgenres mögen, stellt sich diese Frage an jedem Wochenende erneut. Einigen sie sich auf einen Film und schauen ihn gemeinsam? Oder schaut jeder „seinen“ Lieblingsfilm alleine? Und wenn sie gemeinsam fernsehen, wechseln sie sich bei der Auswahl ab?

Forschende des Deutschen Primatenzentrums – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen haben untersucht, wie Affen und Menschen solche Interessenkonflikte koordinieren und lösen. Beim Menschen ist dieses Problem im Rahmen der Spieltheorie bereits gut untersucht. Anders als in den bisherigen Ansätzen wurde das Koordinationsspiel nun um die Komponente Sichtbarkeit erweitert.

Entscheidungen beobachten und Gleichgewicht finden

In der nun entwickelten Spielsituation konnten die Akteure ihr Gegenüber während der Entscheidungen beobachten. Die Untersuchungen zeigten, dass sowohl Menschen als auch Rhesusaffen die Aktionen ihres Gegenübers verfolgen und in ihre Entscheidung einbeziehen. Dabei verwenden sie jedoch unterschiedliche Strategien. Menschen koordinieren sich in einem dynamischen Prozess und erzielen im Zeitverlauf ein „faires“ Gleichgewicht: „Heute“ darfst du aussuchen, nächste Woche bin ich dran. Rhesusaffen koordinieren ihre Entscheidung dagegen statisch, wodurch einer der beiden Akteure im Laufe der Zeit das Nachsehen hat. Zwei Rhesusaffen lernten jedoch sich dynamisch zu koordinieren, nachdem sie mit einem menschlichen Partner gespielt hatten. Aber im Gegensatz zu Menschen nutzen sie diese Fähigkeit, um miteinander zu konkurrieren (eLife).

Die meisten Primatenarten leben in komplexen sozialen Gruppen. Um die Gruppe zusammenzuhalten, um Konflikte zu vermeiden und individuelle sowie gemeinsame Ziele zu erreichen, müssen die Gruppenmitglieder ihre verschiedenen Interessen koordinieren. Die Spieltheorie bietet bewährte Ansätze, um rationales Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen zu analysieren, in denen der Erfolg des Einzelnen nicht nur vom eigenen Handeln, sondern auch von den Aktionen anderer abhängt.

Von Auge zu Auge

„In vielen sozialen Situationen finden Interaktionen meist nicht nacheinander statt oder ohne zu wissen, was die anderen tun, wie im Rahmen der klassischen Spieltheorien, sondern offen, beispielsweise von Angesicht zu Angesicht. Deshalb haben wir eine transparente Spielumgebung entwickelt, in der wir untersuchen konnten, ob und wie Affen und Menschen spieltheoretische Probleme wie „Bach oder Strawinsky“ lösen, während sie einander gegenübersitzen und tatsächliche Augen-, Kopf- und Handbewegungen sehen. Wir wollten wissen, ob sie sich anders verhalten, wenn sie die Aktion des anderen in Echtzeit in ihre eigene Entscheidung einbeziehen können“, sagt Neurowissenschaftler Sebastian Möller.

Über das Spiel „Bach oder Strawinsky“

Ähnlich wie das obige Beispiel der sonntäglichen Filmauswahl, fördert das Spiel „Bach oder Strawinsky“, die Koordination, bringt aber auch einen Konflikt darüber mit sich, welche der beiden koordinierten Optionen zu wählen ist. Es stellte sich heraus, dass die Mehrzahl der getesteten Paare, ob Menschen oder Affen, ihr Verhalten koordinierten, um ihre Belohnung zu erhöhen. Die Hälfte der menschlichen Paare erreichte eine nahezu optimale Koordination, indem sie sich dynamisch abwechselten, um ein faires Gleichgewicht der Belohnungen für alle Züge zu erhalten. Die Rhesusaffen hingegen nutzten einfachere Strategien. Sie koordinierten ihre Spielzüge nicht dynamisch indem sie über den Zeitverlauf einen Ausgleich schafften, sondern koordinierten ihre Aktionen statisch, indem sie immer dieselbe der beiden Optionen wählten oder eine Hälfte des Displays bevorzugten. Zwei Affen, die darauf trainiert wurden, das Spiel mit einem menschlichen Partner zu spielen, zeigten die Fähigkeit, ihre Entscheidungen nicht statisch, sondern dynamisch zu koordinieren, das heißt den menschlichen Partner zu beobachten und zwischen den Optionen zu wechseln. Bemerkenswerterweise begannen die Affen nach diesem Training, ihre Entscheidungen ebenfalls dynamisch miteinander zu koordinieren, allerdings auf eine konkurrierende Weise: der Affe, der schneller eine Entscheidung traf, erhielt einen größeren Anteil der Belohnung.

Beobachtung, der Schlüssel zum Erfolg?

Die Studie hat gezeigt, dass sowohl Affen als auch Menschen die Information darüber, was der Gegenspieler gerade tut, nutzen, um ihre Handlungen zu koordinieren, allerdings mit unterschiedlichen Mitteln und zu unterschiedlichen Zielen. „Dass sich Rhesusaffen bei unseren Tests nicht dynamisch kooperativ abwechselten, liegt möglicherweise daran, dass sie kognitiv bei der längerfristigen Planung und der Einnahme der Perspektive des Gegners eingeschränkt sind. Ihre statischen Strategien erfordern weniger kognitive Ressourcen und sind leichter zu koordinieren. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass Makaken aufgrund ihres wettbewerbsorientierten Charakters, des geringeren normativen sozialen Einflusses und des höheren subjektiven Werts der Belohnungen von eher egoistischen Motiven angetrieben werden“, sagt Igor Kagan und erklärt: „Dynamische Begegnungen von Angesicht zu Angesicht sind ein fester Teil der sozialen Evolution von Primaten. Zu verstehen, wie die beiden Arten die Sichtbarkeit von Handlungen nutzen, um Koordination zu erreichen und aufrechtzuerhalten, wirft ein Licht auf die Entwicklung von Kooperation und Wettbewerb und schafft die Voraussetzungen für die Untersuchung der neuronalen Grundlagen dynamischer Interaktionen.“

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