Für den inzwischen insolventen Finanzdienstleister Wirecard hat auch der frühere Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche im Kanzleramt geworben. Fritsche habe am 13. August 2019 „in seiner Funktion als Berater für das Unternehmen“ um einen Gesprächstermin für Wirecard gebeten, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch in Berlin. Das Gespräch habe dann am 11. September stattgefunden.
Bei dem Termin im Kanzleramt sprach Fritsche laut Demmer mit dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Lars-Hendrik Röller. Mit dabei seien auch der damalige Finanzvorstand von Wirecard und ein weiterer Mitarbeiter gewesen.
In Vorbereitung für Röllers Termin habe das Kanzleramt am 23. August 2019 beim Bundesfinanzministerium telefonisch Informationen über Wirecard erbeten, sagte Demmer. Diese seien am selben Tag per E-Mail eingetroffen. Enthalten waren demnach Hinweise auf Antworten der Regierung auf drei kleine Anfragen von Bundestagsabgeordneten, Links zu Informationen der Finanzaufsicht Bafin und aktuelle Presseberichte über Wirecard.
Die Vorgänge rund im Wirecard erforderten „umfassende Aufklärung“, sagte Demmer. Darum seien das Kanzleramt und auch die Regierung insgesamt bemüht.
Fritsche war von 2014 bis 2018 im Kanzleramt als Koordinator für die Nachrichtendienste tätig. Schon in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass auch der frühere Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in der Regierungszentrale für Wirecard geworben hatte. Das Kanzleramt setzte sich daraufhin während Merkels China-Reise Anfang September 2019 für den dortigen Markteintritt des Dax-Konzerns ein.
Die Frage, ob es problematisch sei, wenn frühere hochrangige Regierungsmitarbeiter als „Türöffner“ für Firmen im Kanzleramt agierten, ließ Demmer unbeantwortet. „Grundsätzlich ist das Gespräch mit Interessenvertretern ein legitimer Teil demokratischer Entscheidungsprozesse“, sagte sie lediglich. Die Regierung pflege Kontakte zu einer „Vielzahl von Akteuren“. Der „Prozess der Willensbildung“ bleibe jedoch unabhängig.
Sowohl Demmer als auch ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonten, dass die Informationslage beim damaligen Umgang mit Wirecard eine andere gewesen sei als die heutige. „Die Bundesregierung hat immer nach Sachlage entschieden“, sagte Demmer.
Von milliardenschweren Unregelmäßigkeiten in der Wirecard-Bilanz unterrichtete das Bundesfinanzministerium das Kanzleramt demnach am 26. Juni dieses Jahres. Am Tag zuvor hatte das Unternehmen Insolvenz angemeldet.
Angesprochen auf die schon viel länger bestehenden Vorwürfe gegen Wirecard, die Bilanzen zu frisieren, sagte Demmer, es habe „sicher Berichterstattung“ über solche Verdachtsmomente gegen das Unternehmen gegeben. Ein Verdacht könne aber „kein Argument“ sein, eine Firma „vorzuverurteilen“.
Der Finanzausschuss des Bundestags widmet sich am Mittwoch kommender Woche in einer Sondersitzung dem Fall Wirecard. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wollen sich dabei den Fragen der Abgeordneten stellen. Die Linke forderte auch Auskunft von Merkel in der Sitzung.
Dazu wird aber wohl nicht kommen. „Ich kann ihnen für die Kanzlerin von keiner Teilnahme berichten“, sagte Demmer. Es sei bisher keine Einladung eingegangen, „aber ich nehme auch an, dass sie nicht daran teilnimmt“.