Das Bundesgesundheitsministerium will im Eilverfahren die Sonderrechte für Minister Jens Spahn (CDU) in der Corona-Bekämpfung über den 31. März 2021 hinaus verlängern und ausbauen. Die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes würde es Spahn ermöglichen, eigenmächtig Verordnungen zu erlassen, soweit dies „zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist“: So heißt es in einem Gesetzentwurf, der AFP vorliegt. Der Koalitionspartner SPD kündigte allerdings Widerstand gegen die Pläne an.
Die Sonderrechte für den Gesundheitsminister für Verordnungen im Pandemiefall sind bislang befristet. Der Entwurf aus seinem Haus sieht nun vor, dass sie „verstetigt“ werden sollen. Das Parlament soll ein Mitspracherecht bekommen: „Dem Deutschen Bundestag wird insoweit das Recht eingeräumt, entsprechende Verordnungen abzuändern oder aufzuheben“, heißt es in dem Entwurf, über den zuerst die „Rheinische Post“ berichtet hatte.
Die SPD will allerdings bei der Ausweitung der Kompetenzen für den Minister nicht mitmachen. „Das wird so nicht kommen“, hieß es gegenüber AFP aus der SPD-Bundestagsfraktion. Einer Entfristung der Verordnungsermächtigung für den Minister werde die SPD nicht zustimmen: Hier gehe es um „weit reichende Grundrechtseingriffe“. Die SPD bemängelte zudem, dass das Ministerium die Vorlage „sehr kurzfristig“ in die Abstimmung gegeben habe.
„Corona-Schutzmaßnahmen sind nötig“, erklärte der Rechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner. „Aber sie müssen rechtmäßig sein, und dazu brauchen wir im Infektionsschutzgesetz eine präzisere Rechtsgrundlage und gesetzlich geregelte Standardmaßnahmen.“
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass der Bundesgesundheitsminister nach eigenem Ermessen den internationalen und nationalen Reiseverkehr kontrollieren und Vorschriften für Flug- und Seehäfen erlassen kann, wenn die Infektionslage es erfordert. Dafür sollten auf dem Verordnungswege „bundeseinheitliche Schutzmaßnahmen“ erlassen werden, heißt es in dem Entwurf. Die Vorlage sieht zudem vor, dass zu einem möglichen Corona-Impfstoff alle Bürger unentgeltlichen Zugang erhalten.
Die Neufassung des Gesetzes würde des weiteren darauf hinauslaufen, dass Reiserückkehrern aus Risikogebieten ein Verdienstausfall droht: Wenn sie sich nach der Rückkehr aus einem ausgewiesenen Risikogebiet in Quarantäne begeben müssen, sollen sie keinen Anspruch auf Entschädigung wegen eines Verdienstausfalls haben.
Bisher regelt Paragraf 56 des Infektionsschutzgesetzes, dass Beschäftigte, die sich in Quarantäne begeben müssen, eine Entschädigung für den Verdienstausfall erhalten.
Derweil wurden die Rufe nach einer stärkeren Beteiligung des Bundestags an den Pandemie-Maßnahmen lauter. „Wir brauchen eine offene Generaldebatte im Bundestag“, sagte Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann dem „Spiegel“. „Hätte es die gegeben, wäre deutlich geworden, dass es im Parlament keine Mehrheit für ein unspezifisches Beherbergungsverbot gibt.“
Nun räche sich, „dass der Bundestag bei der Vorbereitung auf die zweite Welle außen vor gelassen und nur hinter verschlossenen Türen im Kanzleramt diskutiert wurde“, kritisierte Oppermann.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hatte bereits am Donnerstag vorgeschlagen, dass der Bundestag in seiner nächsten Sitzungswoche in einer Debatte über die Corona-Politik diskutieren solle. Für den frühen Freitagabend lud Brinkhaus die Fraktion zu einer Beratung über die Corona-Lage und die politischen Entwicklungen ein. Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) wollte dabei einen kurzen Lagebericht abgeben, wie AFP in Berlin erfuhr.
Die Linksfraktion forderte ebenfalls eine bessere Einbindung des Bundestags in die Corona-Bewältigung. Die Bund-Länder-Spitzenrunden träfen „quasi als große Ersatzregierung alle Entscheidungen an den Parlamenten vorbei“ und entzögen sich damit der Kontrolle, kritisierte Parlamentsgeschäftsführer Jan Korte im „Spiegel“. „Mit dieser schleichenden Entmachtung von Bundestag und Länderparlamenten muss Schluss gemacht werden.“