Die Friedenspolitik ist Rolf Mützenich besonders wichtig. Es ist dieses Themenfeld, wo der SPD-Fraktionschef am häufigsten und vehementesten linke Akzente setzt. Am Dienstag stellte er sich an die Spitze der zahlreichen Gegner einer Beschaffung von Kampfdrohnen in seiner Partei. Den Bruch mit wichtigen Verteidigungsexperten wie dem dafür in der Fraktion zuständigen Sprecher Fritz Felgentreu nahm er dabei in Kauf.
Ähnlich klar hatte sich Mützenich im Mai in der Debatte über US-Atomwaffen in Deutschland positioniert. Vor allem mit Blick auf Überlegungen in den USA, sich stärker auf kleinere Atomwaffen zu konzentrieren, deren Einsatz in Konflikten dann aber auch realistischer sein solle, stellte der SPD-Fraktionschef damals die sogenannte nukleare Teilhabe Deutschlands in Frage. Diese sieht unter anderem vor, dass im Konfliktfall US-Atomwaffen auch von Bundeswehr-Kampfjets ins Ziel gebracht werden.
An die Fraktionsspitze gewählt worden war der Parteilinke Mützenich im Sommer 2019 nach dem abrupten Rücktritt von Andrea Nahles. Schon damals dürfte dabei auch die Sehnsucht vieler Sozialdemokraten nach linkeren Positionen eine Rolle gespielt haben, die dann Ende des Jahres in der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu Parteichefs ebenfalls zum Ausdruck kam.
Beide stehen in der Drohnenfrage fest auf Mützenichs Seite, während Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) bei dem heiklen Thema eher auf Tauchstation ist. Auch in anderen Fragen wie zum Beispiel bei der Entscheidung gegen eine Abwrackprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren zogen Mützenich, Esken und Walter-Borjans an einem Strang.
Insgesamt zeigte sich der Fraktionschef allerdings bei Koalitionsdebatten etwa zur Klima- und Flüchtlingspolitik kompromissbereiter und biegsamer als beim Thema Frieden. Das Bündnis mit der Union trägt er ausdrücklich mit, stellte im Sommer aber auch klar, nach der nächsten Wahl sollten die Partner „getrennte Wege gehen“.
Im Verhältnis zu Russland warb der langjährige Außenpolitiker Mützenich mehrfach für Initiativen zur Verbesserung der angespannten Beziehungen und einen Abbau von Sanktionen. Harsche Worte fand er in Menschenrechtsfragen etwa gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan oder arabischen Machthabern – und gegenüber dem scheidenden US-Präsidenten Donald Trump.
Wirtschafts- und sozialpolitisch verbindet Mützenich eine kapitalismuskritische Rhetorik mit moderat-pragmatischer Politik. Insgesamt gelang es ihm in den rund eineinhalb Jahren seiner bisherigen Amtszeit, die inhaltliche Arbeit der Fraktion voranzutreiben. Sehr klar ist Mützenich in der Ablehnung der extremen Rechten einschließlich der AfD. Lange schon gehört der 61-Jährige im Bundestag außerdem zu denjenigen, die Wert auf Abgrenzung zum Lobbyismus legen. „Über Nebeneinkünfte verfüge ich nicht“, meldete er knapp dem Bundestag.
Etwas holprig verliefen einige Personalentscheidungen. Sein Votum für Eva Högl als neue Wehrbeauftragte führte zum krachenden Abtritt des langjährigen Haushaltssprechers Johannes Kahrs – wobei Mützenich der Abgang des exzentrischen Parteirechten wohl gelegen kam. Bei der Nominierung von Dagmar Ziegler zur neuen Bundestagsvizepräsidentin nach dem Tod von Thomas Oppermann beendete erst der Rückzug von Konkurrentin Ulla Schmidt eine Zerreißprobe in der Fraktion.
Der gebürtige Kölner Mützenich wuchs in einem Arbeiterhaushalt als jüngstes von drei Kindern auf und studierte in Bonn, Duisburg und Bremen Politik, Geschichte und Wirtschaft. Nach verschiedenen Tätigkeiten auf Landesebene in Nordrhein-Westfalen zog er 2002 in den Bundestag ein und wurde seither stets direkt wiedergewählt.
Von 2004 bis 2009 war Mützenich Sprecher der AG Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung, anschließend dann außenpolitischer Sprecher der Fraktion. Die Außenpolitik blieb auch sein Schwerpunkt, als er Ende 2013 zum stellvertretenden Fraktionschef gewählt wurde.
Der verheiratete Vater zweier Kinder engagiert sich ehrenamtlich für den Verein Kindernöte und andere Nichtregierungsorganisationen.