Die Zahl der Ordnungsrufe im Bundestag hat einem Bericht zufolge Rekordniveau erreicht. Seit der Wahl 2017 seien 38 dieser Ermahnungen ausgesprochen worden, mehr als in den vier vorangegangenen Legislaturperioden zusammen, berichtete die „Augsburger Allgemeine“ (Montagsausgabe). Sie berief sich auf eine Aufstellung der Bundestagsverwaltung und auf Parlamentsprotokolle.
Allein 2020 wurden demnach 20 Ordnungsrufe ausgesprochen, in einem Fall gab es zudem eine Rüge. Ein Fünftel der Ordnungsrufe sei wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht auf den Wegen im Plenarsaal erteilt worden, schrieb die Zeitung. Zwei Drittel aller Ordnungsrufe im vergangenen Jahr seien auf Abgeordnete der AfD-Fraktion entfallen.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sagte dem Blatt, es gebe Abgeordnete, „die durch bewusste Provokationen Ordnungsrufe geradezu herausfordern“. Das Bundestagspräsidium sei aber „immer in der Lage, mit dem nötigen Fingerspitzengefühl auf diese Unbotmäßigkeiten zu reagieren“.
„Wir sollten die Zahl der Ordnungsrufe nicht dramatisieren“, fügte Kubicki hinzu. Er würde sich durchaus mehr streitige Debatten im Bundestag wünschen. „Solange sie in einem Geist der Fairness ausgetragen werden, ist gegen einen harten Ton nichts einzuwenden.“
Laut Geschäftsordnung des Bundestags kann der jeweilige Sitzungsleiter oder die Sitzungsleiterin „Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung oder die Würde des Bundestages verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen“. Der oder die Betroffene kann dagegen Einspruch einlegen, das Plenum stimmt dann darüber ab.
In der früheren Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung waren Ordnungsrufe teils viel häufiger als heutzutage: So wurden in der Legislaturperiode nach der Wahl 1983 insgesamt 132 Ordnungsrufe und zwölf Rügen erfasst, wie die „Augsburger Allgemeine“ weiter berichtete.