Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat für seinen überraschenden Vorstoß für eine neue Verfassung die Unterstützung von der ultrarechten MHP-Partei bekommen. „Es ist klar, dass die Türkei eine neue Verfassung benötigt“, sagte MHP-Chef Devlet Bahceli am Dienstag vor Journalisten in Ankara. Der Vorsitzende des De-facto-Koalitionspartners von Erdogans islamisch-nationalistischer AKP nannte keine Gründe für seine Haltung in der Verfassungsdebatte. Bahceli hatte sich im Dezember dafür eingesetzt, die pro-kurdische Oppositionspartei HDP zu verbieten – „falls erforderlich, mit einer Verfassungsänderung“.
Die sozialdemokratische Oppositionspartei CHP warf Erdogan vor, er habe die Debatte über die Verfassung angestoßen, um angesichts der Wirtschafts- und Corona-Krise „vom Thema abzulenken“. Eine neue Verfassung bringe für die Türkei „keine Vorteile“, sagte CHP-Sprecher Faik Oztrak.
In zwei Jahren stehen in der Türkei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen an. Angesichts des Wertverlusts der türkischen Lira sind die Zustimmungswerte für Erdogans AKP deutlich zurückgegangen. Bei den Kommunalwahlen 2019 erlitt sie in Istanbul und Ankara eine Niederlage.
Der 66-jährige Erdogan ist seit 2003 an der Macht, zunächst als Regierungschef und seit 2014 als Präsident. Der aktuellen Verfassung zufolge könnte er bis 2028 Staatschef bleiben. Als er seinen Vorschlag zur Verabschiedung einer neuen Verfassung am Montag öffentlich machte, bezeichnete er die bisherige Verfassung als „klare Quelle der Probleme der Türkei“ und verwies darauf, dass sie „von Putschisten geschrieben“ worden sei.
Erdogan hatte erst 2017 eine umstrittene Reform der Verfassung von 1982 durchgesetzt und in einem Referendum bestätigen lassen. Dadurch ist die Türkei von einem parlamentarischen zu einem präsidialen System übergegangen, und Erdogan konnte seine Macht als Staatschef deutlich ausbauen.