Nach den Börsenturbulenzen um die Aktie des Computerspielhändlers Gamestop in den USA haben mehrere der Beteiligten Manipulationen der Märkte vehement bestritten – und die Forderung einiger Politiker nach schärferen Regeln damit zurückgewiesen. Vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses sagten unter anderen die Chef des Online-Finanzdienstleisters Robinhood und der Online-Handelsplattform Reddit sowie die Chefs der Hedgefonds Citadel und Melvin Capital aus. Weitere Anhörungen etwa mit Vertretern von Aufsichtsbehörden sollen folgen.
Die stundenlange Anhörung vor dem Ausschuss am Donnerstag trug den Titel „Spiel beendet? Wer gewinnt und wer verliert, wenn Short Seller, Social Media und Investoren aufeinandertreffen?“ Über das Internet hatten sich kürzlich zahlreiche Kleinanleger organisiert, um massenhaft Papiere des durch wachsende Online-Konkurrenz und die Corona-Krise in die Bredouille geratenen Computerspielhändlers Gamestop zu kaufen. Damit bereiteten sie Hedgefonds massive Probleme, die auf sinkende Gamestop-Kurse gewettet hatten.
Aufsichtsbehörden ermitteln derzeit, ob die Aktivitäten mit Investorenschutz sowie fairen und effizienten Märkten vereinbar waren. Der Aktienkurs von Gamestop war drastisch in die Höhe geschossen – von knapp sechs auf fast 483 Dollar. Danach ging es allerdings wieder steil nach unten.
Der Mitgründer und Chef des Online-Finanzdienstleisters Robinhood, Vladimir Tenev, versicherte, sein Unternehmen habe sich „an die Vorschriften gehalten“. Er versuche nicht, „jemanden unter den Bus zu schubsen“. Robinhood ist eine besonders für Kleinanleger gedachte Handelsplattform.
Keith Gill, als „Roaring Kitty“ bekannter YouTube-Star und Investor mit einer entscheidenden Rolle bei den Börsenturbulenzen, sagte: „Die Vorstellung, ich hätte die sozialen Medien benutzt, um die Gamestop-Aktie bei ahnungslosen Investoren anzupreisen und den Markt zu beeinflussen, ist grotesk.“ Gill hatte als erster die Gamestop-Aktie angepriesen – seine Chats darüber in den sozialen Medien seien „wie Gespräche über Aktien in der Bar, auf dem Golfplatz oder Zuhause“, sagte er.
Er sei mit Videospielen aufgewachsen und immer noch überzeugt davon, dass Gamestop „das Potenzial hat, sich als Ziel für Spieler neu zu erfinden“, versicherte Gill. Seine Investments teilt er auch im Forum WallStreetBets auf Reddit.
Auch der Gründer und Chef des Hedgefonds Melvin Capital, Gabriel Plotkin, wies jegliche Marktmanipulation von sich. Melvin hatte gegen Gamestop gewettet und „bedeutende Verluste“ gemacht, als der Aktienkurs stark stieg, sagte Plotkin. Es gebe Leute auf Reddit, die Hedgefonds mit ihren Investments „bestrafen“ wollten, sagte er. Viele Posts seien auch „antisemitisch garniert“ gewesen. Bei WallStreetBets auf Reddit sind mehr als neun Millionen Menschen Mitglied.
Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez von den Demokraten warf Robinhood vor, den eigenen Kunden geschadet zu haben. Sie kritisierte wie auch andere Abgeordnete das Geschäftsmodell – Robinhood nimmt keine Gebühren, sondern verdient über das sogenannte „Payment for Order Flow“: Der Dienstleister „verkauft“ die Kundenaufträge an einen großen Akteur, der damit eigene Aufträge ausführt. Robinhood wird dafür bezahlt – was den Kleinanleger-Kunden oft nicht klar sein dürfte, wie Abgeordnete kritisierten. Im Fall Gamestop ist der ausführende Händler für Robinhood der Fonds Citadel – der wiederum dem Fonds Melvin nach seinen spektakulären Verlusten aushalf.
Kritik im Finanzausschuss gab es auch daran, dass Apps wie Robinhood wie Spiele aufgemacht sind; die Kunden könnten deshalb die Geldanlage nicht so ernst nehmen, wie sie sollten. Der Anhörung sollen nun zwei weitere folgen, neben Vertretern der zuständigen Aufsichtsbehörden wollen die Abgeordneten auch Finanzmarktexperten befragen.
Die deutsche Finanzaufsichtsbehörde Bafin warnte am Donnerstag Kleinanleger vor den Risiken von Wertpapiergeschäften auf Basis von Aufrufen in sozialen Medien, Internetforen oder Apps wie Telegram und Reddit. „Anleger sollten Anlageentscheidungen nicht auf solche konzertierten Aufrufe stützen, sondern sich über das jeweilige Wertpapier aus möglichst objektiven Quellen informieren“.
Auf kurzfristige Kurssteigerungen etwa infolge der Aufrufe und entsprechenden Spekulationen könnten starke Kursrückgänge folgen, warnte die Bafin. In sozialen Medien könnten falsche oder irreführende Aussagen getroffen werden. Solche Aufrufe könnten außerdem dienen, Anleger zum Kauf von bestimmten Aktien zu verleiten, um von steigenden Kursen dieser Aktien gezielt zu profitieren.