Die Entscheidung war lange mit Spannung erwartet worden – nun hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt. Die Regelung sei mit dem Grundgesetz unvereinbar, teilte das Gericht am Donnerstag in Karlsruhe mit. Aus der Politik und von Gewerkschaften wurden Forderungen laut, dass sich dann der Bund mit den hohen Mieten befassen solle. (Az. 2 BvF 1/20 u.a.)
Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Gesetzgebungsbefugnis hier nicht beim Land liege. Spätestens mit der Mietpreisbremse 2015 habe der Bund die „Bemessung der höchstens zulässigen Miete für ungebundenen Wohnraum“ abschließend geregelt, hieß es im Beschluss des Zweiten Senats. Darum bleibe kein Raum für eigene Regelungen der Länder.
Die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung wollte mit dem Mietendeckel unter anderem erreichen, dass Menschen mit niedrigem Einkommen nicht aus der Stadt verdrängt werden. Das Gesetz trat Ende Februar 2020 in Kraft und sollte für fünf Jahre gelten. Damals wurden die Mieten für knapp 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin auf den Stand von Juni 2019 eingefroren, erst ab 2022 sollten sie wieder leicht steigen dürfen. Zudem wurden Mietobergrenzen bei Neuvermietungen eingeführt. Seit Ende 2020 müssen Mieten gesenkt werden, die die gesetzlich festgelegte Obergrenze um mehr als 20 Prozent überschreiten.
Das Instrument war aber von Anfang an politisch und juristisch umstritten. Gegner befürchteten einen Investitionsstau bei Mietwohnungen und finanzielle Schwierigkeiten für Kleinvermieter. Im Mai 2020 klagten 284 Bundestagsabgeordnete von Union und FDP in Karlsruhe, da das Land mit der Regelung seine Befugnisse überschritten habe. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun außerdem über zwei Vorlagen des Berliner Landgerichts und des Amtsgerichts Mitte, die ebenfalls wissen wollten, ob die Regelung verfassungswidrig sei.
Politiker aus Union und FDP zeigten sich zufrieden mit dem Beschluss. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte, es sei gut, dass der Mietendeckel jetzt „Geschichte“ sei. „Er hat für Unsicherheit auf den Wohnungsmärkten gesorgt, Investitionen ausgebremst und keine einzige neue Wohnung geschaffen.“
Ähnlich äußerte sich der Städte- und Gemeindebund. Regulatorische Vorgaben seien grundsätzlich das falsche Instrument, um die bestehenden Schwierigkeiten am Wohnungsmarkt zu beheben, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er forderte unter anderem, die Ausweisung von Bauland zu erleichtern.
Der stellvertretende SPD-Chef Kevin Kühnert forderte dagegen einen bundesweiten Mietendeckel. „Einzelne Bundesländer können keinen Mietenstopp beschließen, der Bund kann dies sehr wohl“, sagte Kühnert dem „Tagesspiegel“. Linken-Chefin Janine Wissler forderte einen Mietenstopp auf Bundesebene für mindestens sechs Jahre. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich für einen bundesweiten Mietenstopp und massive Investitionen in den Bau von Sozialwohnungen aus.
Der Berliner Senat will am Dienstag über die Konsequenzen aus dem Gerichtsbeschluss beraten. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hob hervor, dass es bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lediglich um die Frage der Kompetenz gegangen sei. „Das Urteil sagt jedoch nichts über die Maßnahmen des Mietendeckels aus, die wir nach wie vor für richtig und notwendig halten“, erklärte er.
Die mittlerweile bundesweit vorherrschende Wohnungsnot müsse nun „endlich energisch vom Bund bekämpft werden“, forderte Müller. Zugleich kündigte er an, dass geprüft werden solle, „inwieweit wir soziale Härten bei Nachforderungen an Mieterinnen und Mieter abfedern können“.
Denn Mieter müssen nicht gezahlte Mieten nun nachzahlen – darauf wies auch der Eigentümerverband Haus und Grund Berlin hin. „Wenn ein kündigungsrelevanter Zahlungsrückstand besteht, dann besteht auch die Gefahr einer fristlosen Kündigung durch den Vermieter“, sagte der Vorsitzende Carsten Brückner im RBB-Inforadio.
Der Berliner Mieterverein erwartet, dass nur ein kleiner Teil der Vermieter ausstehende Forderungen nicht zurückfordern werde. In den meisten Fällen sollten die einbehaltenen Beträge innerhalb von zwei Wochen überwiesen werden, sagte Geschäftsführer Reiner Wild dem Sender. Mit einer Kündigung zu drohen, halte der Verein für nicht fair: „Wir erwarten und erhoffen uns von den Vermietern, dass sie im Zweifel auch Ratenzahlungen akzeptieren“, sagte Wild.