Coronavirus: Wo bleiben die Verfassungsliebenden und die Verfassungsrichter in Bayern?

coronavirus_symbolbild_krise_deutschland_update
Symbolbild: Coronavirus

Am Freitag verkündete der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Alleingang eine weitreichende Ausgangsbeschränkung. Seit Samstagnacht ist das Verlassen der eigenen Wohnung nur noch mit triftigen Grund erlaubt.

Aber was ist mit unserer gemeinsamen Grundordnung? In Artikel 2 des Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es „(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ – Die freie Entfaltung wird durch staatliche Hand entzogen.

Gestützt wird die Begründung auf das Infektionsschutzgesetz. Jedoch ist Bayern ein riesiges Bundesland und beherbergt mehr Bürger als Österreich Einwohner hat. In der Relation zwischen infizierten Menschen und der Bevölkerung aus Bayern, liegen trotz immer höher werdender Infektionszahlen, Welten. Und deshalb ist es gerechtfertigt das Grundgesetz aus den Angeln zu heben?

In Artikel 4 des Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ – Ebenfalls ist die ungestörte Religionsausübung nicht mehr möglich. Alle Kirchen wurden von staatlicher Hand verpflichtet Gottesdienste ausfallen zu lassen.

In Artikel 8 des Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland heißt es „(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“ – Diese Rechte wurden in Bayern ebenfalls unter den Tische gekehrt. Der Ausgang aus dem häuslichen Knast ist nur noch alleine oder in seinem Familienverband möglich.

Abschließend steht in Artikel 11 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland geschrieben: „(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.“ – Diese Freizügigkeit ist vollständig verloren gegangen.

Der Ministerpräsident beruft sich dann wohl auf Artikel 11 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: „(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.“

Jedoch macht er dies im Alleingang und nicht wirklich schlüssig begründet. Die Ministerpräsidenten der übrigen Bundesländer wollten ursprünglich das Wochenende abwarten und erst am heutigen Sonntag gemeinsam mit der Bundeskanzlerin, Angela Merkel, über weitere Schritte beraten und entscheiden.

Markus Söder hat der Bevölkerung keinen einzigen Moment Zeit gegeben, sich an die neue Situation zu gewöhnen, gar Ergebnisse abzuwarten, bis eben neue vorliegen, um eine rationale Entscheidung treffen zu können.

SPD und die Grünen kritisieren den politischen Alleingang ebenfalls. Mit scharfer Kritik reagierte aber auch Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP): „Wir haben uns verständigt mit 15 anderen Bundesländern, einschließlich Bayern, dass wir hier gemeinsam einen Weg gehen. Jetzt ist Bayern vorzeitig ausgeschert, wir wollten uns ja noch das Wochenende anschauen, den Samstag, und dann am Sonntag entscheiden, wie es weitergeht“, sagte Gebauer im RTL-Nachtjournal.

Klar muss die Politik das Volk schützen, jedoch immer unter der Achtung unserer grundsätzlichen Werte und unter Berücksichtigung unserer gemeinsamen Grundordnung. Und wenn ein solch drastischer Eingriff in das Leben erfolgt, sollte dieser Schritt sehr genau und ausführlich erklärt werden und nicht nur mit einem „Ich bedauere es sehr, dass wir das manchmal so machen müssen“, wie Söder sagte. Was jetzt am heutigen Sonntag bei der gemeinsamen Sitzung mit der Bundeskanzlerin zu Tage kommt, bleibt wohl mit Spannung abzuwarten.

Anzeige



Anzeige

Avatar-Foto
Über Redaktion des Nürnberger Blatt 44940 Artikel
Hier schreiben und kuratieren die Redakteure der Redaktion des Nürnberger Blatt