Studie: Nähe zu Ischgl erhöht die Corona-Infektionsrate – Tragen Katholiken eine Mitschuld?

Symbolbild: Junger Mann mit Atemschutzmaske
Symbolbild: Junger Mann mit Atemschutzmaske

Die geografische Nähe zu Ischgl in Tirol ist offenbar in der aktuellen Corona-Pandemie einer der Hauptrisikofaktoren für eine vergleichsweise hohe Infektionsrate in der Bevölkerung in Deutschland. Landkreise, die näher an der sogenannten Superspreader-Location Ischgl liegen, haben systematisch höhere Infektionsraten als weiter entfernte. Von anderen Corona-Hotspots geht kein vergleichbarer Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Deutschland aus.

„Schon ein um zehn Prozent kürzerer Anfahrtsweg nach Ischgl, erhöht die Infektionsrate im Durchschnitt um neun Prozent“, sagt IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. „Andersherum bedeutet das auch: Lägen alle deutschen Kreise so weit weg von Ischgl wie der Kreis Vorpommern-Rügen, gäbe es in Deutschland fast 50 Prozent weniger Infektionen mit dem Coronavirus.“ Felbermayr hat zusammen mit Julian Hinz und Sonali Chowdhry aus der „IfW Trade Policy Task Force“ in einer Studie Daten des Robert Koch-Instituts aus den 401 deutschen Landkreisen ausgewertet und damit die Bedeutung von Ischgl als „Ground Zero“ der deutschen Corona-Verbreitung untermauert.

Zum Vergleich haben sich die Forscher auch mit den ebenfalls stark von Corona betroffenen Regionen Heinsberg und Mulhouse/Grand-Est an der deutsch-französischen Grenze auseinandergesetzt, konnten aber keinen vergleichbaren geografischen Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Deutschland nachweisen. „Interessant ist vor allem auch, dass die Entfernung zu Ischgl im Laufe der Zeit für die beobachteten Fälle nicht irrelevant wird“, sagt Felbermayr. Das deute darauf hin, dass die Lockdown-Maßnahmen wirksam dazu beigetragen hätten, die Mobilität zu verringern und eine weitere Verbreitung des Virus in den deutschen Bundesländern zu verhindern. „Nach den anfänglichen Infektionen durch heimkehrende Skifahrerinnen und Skifahrer gab es keine weitere geografische Verbreitung.“

Das Beispiel Ischgl zeigt aber auch, dass die eher langsame Reaktion auf die Corona-Infektionen in Ischgl fatal war: Schon am 5. März hat das erste europäische Land den Skiort als Risikogebiet eingestuft. Trotzdem wurden erst neun Tage später Quarantäne-Maßnahmen eingeleitet – der komplette Lockdown folgte noch später. Daten vom 20. März zeigen, dass ein Drittel aller Fälle in Dänemark und ein Sechstel aller Fälle in Schweden auf Ischgl zurückgeführt werden konnten.

Neben dem geografischen Ischgl-Einfluss auf die Infektionsrate offenbaren die Daten einen weiteren bemerkenswerten Einflussfaktor: den Anteil der katholischen Bevölkerung. „Die katholische Kultur scheint die Zahl der Fälle zu erhöhen – wahrscheinlich durch die vielen Karnevalsfeiern Ende Februar“, so Felbermayr. Weiteren sozio-demografischen Faktoren, wie den Handelsverbindungen nach China, der Altersstruktur, dem Ausländeranteil oder einem „Home-Office-Index“ ist in den vorhandenen Daten kein Einfluss nachzuweisen.

Insgesamt sind die Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland höchst unterschiedlich von der Corona-Pandemie betroffen, sowohl in Bezug auf die Infektions- als auch auf die Sterblichkeitsrate. Der deutliche Einfluss Ischgls gilt nur für die Infektionsrate und hat keinen Einfluss auf die Mortalität. Diese hänge vor allem am Anteil der über 65-Jährigen und der Anzahl der Krankenhausbetten, so die Forscher.

Die Analyse unterstreicht, dass der internationale Tourismus ein wichtiger Faktor für die Verbreitung ansteckender Krankheiten ist. Rechtzeitige Reiseverbote können daher die Übertragungswege einschränken. Beliebte Reiseziele wie Ischgl spielen bei solchen Eindämmungsstrategien eine entscheidende Rolle, da sie sich schnell zu Superspreader-Locations entwickeln können.

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