Bundesregierung berät über Reformen nach Wirecard-Skandal

Bundeskanzleramt in Berlin
Bundeskanzleramt in Berlin

Vor der Sondersitzung des Finanzausschusses im Bundestag zum Wirecard-Skandal hat die Bundesregierung ihren Reformwillen für die Finanzaufsicht bekräftigt. Mögliche Maßnahmen würden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin. Ziel sei es, Schaden vom Finanzplatz Deutschland abzuwenden. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann forderte als Konsequenz aus dem mutmaßlichen Milliardenbetrug von Wirecard eine Verschärfung von Wirtschafts- und Bilanzprüfungen.

Das Bundesfinanzministerium hat als Reaktion auf den Skandal um den mittlerweile insolventen Münchner Finanzdienstleister vergangene Woche einen 16-Punkte-Plan für eine Verschärfung der Kontrolle über die Finanzbranche erstellt. Der Plan sieht unter anderem vor, dass die Finanzaufsichtsbehörde Bafin direkt und mit hoheitlichen Befugnissen gegenüber Kapitalmarktunternehmen auftreten kann.

Ein Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte am Montag, es gehe darum, „Betrügereien einen Riegel vorzuschieben“. Scholz sei für eine „weitreichende Reform“, die jetzt innerhalb der Regierung beraten werde. Eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte ebenfalls, es gehe nun um den Ruf des Finanzstandorts Deutschland. Altmaier habe wiederholt gesagt, es sei „sehr wichtig, dass die Vorgänge aufgeklärt werden“.

Der Finanzausschuss des Bundestags kommt am Mittwochnachmittag zu einer Sondersitzung zusammen, Scholz und Altmaier ihr Kommen zugesagt. Die Opposition wirft der Bundesregierung Versäumnisse in dem Skandal vor. Scholz war von der Finanzaufsicht Bafin bereits im Februar 2019 über Ermittlungen wegen Betrugsvorwürfen gegen Wirecard informiert worden. Das Kanzleramt unterstützte bei einer Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China im September 2019 den Markteintritt des Finanzdienstleisters in dem Land.

Die SPD verteidigte das Vorgehen von Finanzminister Scholz. „Wir wollen eine lückenlose, transparente Aufklärung im Vorfeld. Das hat das Bundesfinanzministerium geleistet“, sagt SPD-Finanzexpertin Cansel Kiziltepe den Sendern ntv und RTL. Ein Untersuchungsausschuss könne noch abgewendet werden. „Wenn wir die Aufklärung im Vorfeld schaffen, und das ist die erste Sitzung am kommenden Mittwoch mit der Sondersitzung im Finanzausschuss, wird ein Untersuchungsausschuss auch nicht unbedingt notwendig sein.“

Detaillierte Auskunft erhofft sich Kiziltepe insbesondere vom Wirtschaftsminister. „Von Wirtschaftsminister Altmaier haben wir bislang noch gar nichts gehört. Er hat die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer und da liegt das Problem und da erwarten wir Antworten.“

Auch die EU-Kommission erwägt angesichts des Wirecard-Skandals eine Verschärfung der Regeln. So will der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, Anleger börsennotierter Unternehmen besser vor Betrug schützen. „Auf Kommissionsseite prüfen wir, welche Lehren aus dem Fall Wirecard für die EU-Finanzmarktgesetzgebung zu ziehen sind und ob wir Regeln verbessern müssen“, sagte Dombrovskis dem „Handelsblatt“. 

„Dabei schauen wir uns insbesondere die Transparenzrichtlinie, die Rechnungslegungsrichtlinie, die Regeln für Abschlussprüfer und die Vorschriften gegen Marktmissbrauch an.“ Dombrovskis erwägt zudem, nationalen Behörden wie der Bafin die Aufsicht über große Zahlungsdienstleister wie Wirecard zu entziehen und der EU-Bankenaufsicht zu übertragen.

Bundesbank-Präsident Weidmann rief ebenfalls zu spürbaren Veränderungen bei der Wirtschafts- und Bilanzprüfung auf. Den Regeln und Verfahren bei diesen Prüfungen müsse „mehr Biss“ gegeben werden, sagte Weidmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Um Vorgängen wie bei Wirecard künftig wirksamer vorzubauen, müsse es Wirtschaftsprüfern ermöglicht werden, „internationale Verflechtungen des Geschäfts besser zu durchleuchten“.

Der Finanzdienstleister Wirecard hatte Ende Juni Insolvenz angemeldet. Zuvor hatte das Unternehmen einräumen müssen, dass in der Bilanz aufgeführte Gelder von 1,9 Milliarden Euro, die vermeintlich auf asiatischen Bankkonten lagern sollten, nicht auffindbar seien. Der frühere Wirecard-Chef Markus Braun wurde am vergangenen Mittwoch erneut verhaftet.

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