Verteidiger von Hauptangeklagtem in Lübcke-Prozess abgesetzt – Rechtsmedizinisches Gutachten vorgelegt

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
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Im Prozess um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) ist einer der beiden Verteidiger des Hauptangeklagten Stephan E. abgesetzt worden. Der Senat stimmte einem Antrag auf Entpflichtung Frank Hannigs zu, wie der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel am Dienstag, dem siebten Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, sagte. Das Vertrauensverhältnis zwischen E. und seinem Anwalt sei zerstört.

Hannig habe in der Verhandlung am Montag Anträge gestellt, die inhaltlich nicht abgestimmt gewesen seien und den Interessen seines Mandanten widersprächen, sagte Sagebiel zur Begründung. Mit einem dieser Anträge habe Hannig andeuten wollen, dass Lübcke und seine Söhne in „krumme Geschäfte verwickelt“ seien. Zudem habe der Anwalt „weitreichende Mutmaßungen“ über eine Beteiligung Dritter an der Tat gestellt, sagte Sagebiel. Hannig verließ den Gerichtssaal unmittelbar nach Verkündung des Beschlusses. 

Am Montag hatte E.s zweiter Anwalt Mustafa Kaplan den Antrag auf Entpflichtung Hannigs gestellt, dem E. auf Nachfrage Sagebiels zustimmte. E. tauscht damit zum zweiten Mal seinen Anwalt aus: Hannig hatte vor rund einem Jahr die Verteidigung übernommen. Er soll nun durch einen neuen Pflichtverteidiger ersetzt werden. 

Als erster Zeuge sagte am Dienstag Lübckes jüngerer Sohn aus, der seinen Vater tot aufgefunden hatte. Die Tat habe die Familie innerlich zerrissen, sagte Nebenkläger Lübcke. Von einem Alltag sei er „ganz weit entfernt“. Zuerst habe er geglaubt, sein Vater habe einen Herzinfarkt erlitten, sagte Lübcke. Bei der letztlich erfolglosen Reanimation sei jedoch Blut am Kopf Lübckes aufgefallen. Erst nach der Feststellung des Tods im Krankenhaus habe Lübcke von Polizeibeamten erfahren, dass im Kopf seines Vaters ein Gegenstand gefunden worden sei.

Kaplan kündigte am Nachmittag an, dass die ursprünglich für Donnerstag angesetzte Einlassung E.s nicht stattfinden werde. Durch die Entpflichtung Hannigs sei „viel Zeit verloren“ gegangen, sagte Kaplan. Er nannte den Mittwoch kommender Woche als nächstmöglichen Termin für eine Aussage E.s. Der für Donnerstag angesetzte Termin entfällt. 

Laut einem Gutachten starb Lübcke durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe. „Er wies keinerlei Verletzungen auf, die an eine tätliche Auseinandersetzung denken lassen müssten“, sagte der Gießener Rechtsmediziner Reinhard Dettmeyer am Dienstag im Prozess. Weitere sichtbare Verletzungen seien der versuchten Reanimation geschuldet.

Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf der Terrasse seines Wohnhauses im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden. Der Angeklagte soll ihn aus rechtsextremen Motiven getötet haben. Neben E. ist Markus H. als mutmaßlicher Komplize angeklagt.

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