Kabinettsbeschluss zu Hartz-IV-Anpassung ruft grundsätzliche Kritik hervor

Symbolbild: Hartz 4
Symbolbild: Hartz 4

Die routinemäßige Anpassung der Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel hat eine grundsätzliche Debatte über das System ausgelöst. Sozialverbände forderten am Mittwoch ebenso wie Grüne und Linke eine umfassende Reform. Auch die künftigen Regelsätze deckten den tatsächlichen Bedarf der Betroffenen nicht, warnten sie. Das Bundessozialministerium wies die Kritik zurück.

Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch die Anpassung der Hartz-IV-Sätze zum Jahreswechsel. Laut der Vorlage des Sozialministeriums soll der monatliche Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen um sieben Euro auf 439 Euro steigen, Partner bekommen 395 statt 389 Euro. Jugendliche ab 14 Jahren erhalten 367 statt 328 Euro, für Kinder unter sechs Jahren steigt der Regelsatz von 250 auf 278 Euro. Die Summe für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren bleibt bei 308 Euro.

Hintergrund ist die gesetzliche Verpflichtung, bei Vorliegen einer neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) die Höhe der Regelbedarfe neu zu ermitteln. Dabei sollen auch gesellschaftliche Veränderungen aufgegriffen werden. Laut Sozialministerium sind etwa 2021 erstmal die Kosten für die Mobilfunknutzung vollständig im Regelbedarf enthalten. Die EVS wird alle fünf Jahre erhoben, zuletzt 2018.

Die neuen Regelsätze sollen im Gesetzgebungsverfahren angepasst werden, wenn aktuelle Zahlen zur Preis- und Lohnentwicklung bis Juni 2020 vorliegen. Dies wird laut Ministerium für Ende August erwartet.

Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte, die Sozialleistung künftig ganz anders zu berechnen. „Eine grundsätzliche Verbesserung der Lebenssituation von Armut betroffener Kinder und Jugendlicher braucht eine grundlegende Reform der Regelsatzberechnung“, erklärte Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann. „Es sollte bedarfs- und realitätsgerecht ermittelt werden, was Kinder brauchen.“

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, sagte, die sieben Euro mehr für Alleinstehende „reichen hinten und vorne nicht“. So werde Armut „ganz sicher nicht“ bekämpft. Der VdK bezeichnete es zudem als „sehr enttäuschend“, dass der Gesetzentwurf „keine Verbesserungen bei der Ermittlungsmethode“ vorsieht. Die Regelbedarfshöhen nach der geltenden Berechnung seien „weder realitätsgerecht, noch reichen sie zum Leben“.

„Wir sind mit der Berechnung der Regelsätze nicht einverstanden, weil eine soziokulturelle Existenzsicherung nicht gewährleistet werden kann“, erklärte auch der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer. Er monierte zudem, dass die Corona-Krise sich nicht in den Hartz-IV-Sätzen niederschlage. Nötig sei ein Aufschlag von 100 Euro pro Monat.

Auch die Diakonie bemängelte, es würden Regelsätze festgelegt, „die Armut manifestieren und eine Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben erschweren“. Kinder seien besonders betroffen.  

Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping warf Sozialminister Hubertus Heil (SPD) vor, er betreibe „aktive Verarmungspolitik“. Die Regelsätze würden mit „Tricks“ künstlich klein gerechnet. Nicht im Regelbedarf vorgesehen seien unter anderem Ausgaben für einen Weihnachtsbaum, eine Eis von der Eisdiele und für ein Auto.  

Der Grünen-Sozialpolitiker Sven Lehmann nannte den Gesetzentwurf einen „Schlag ins Gesicht für Millionen Menschen in Deutschland“. Heil nutze „Taschenspielertricks“ und spare bei den Ärmsten der Armen. Der Regelsatz für Erwachsene müsse stattdessen schrittweise auf 603 Euro im Monat steigen.

Eine Sprecherin Heils wies die Vorwürfe zurück. Es sei mehrfach geprüft worden, ob die Regelsätze ein „soziokulturelles Existenzminimum“ ermöglichten, sagte sie. Die Berechnung sei „transparent und nachprüfbar“, zudem falle die Erhöhung dieses Mal relativ hoch aus.

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