Vor neuen Koalitionsberatungen über eine Reform des Wahlrechts fordert die FDP eine Verständigung, um eine Vergrößerung des Bundestags zu verhindern. „Ein XXL-Bundestag wäre eine Blamage für die Politik insgesamt“, sagte ihr Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann der „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom Freitag. Eine Absage erteilte er allerdings Vorschlägen der Union, die CDU und CSU einen Vorteil durch nicht ausgeglichene Überhangmandate verschaffen könnten.
„Wir sind auch zu Kompromissen bereit. Die müssen aber fair und verfassungsfest sein“, verlangte Buschmann. Daher werde über die Forderung der Union, sieben Überhangmandate unausgeglichen zu lassen, „noch zu reden sein“. Das derzeit von CDU und CSU vorgelegte Modell beeinträchtige den Grundsatz der Gleichheit aller Stimmen, kritisierte der FDP-Politiker. Auch SPD, Grüne und Linkspartei lehnen einen solchen Mandatsvorteil für die Union ab.
Buschmann warf SPD und Union vor, sie hätten bisher „jeden Fortschritt in der Sache über Monate und Jahre verweigert“. Er kritisierte dabei auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, der Zweifel geäußert hatte, ob eine Reform vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 noch umsetzbar sei. „Ich würde mir wünschen, dass ein SPD-Vorsitzender mehr Mut zur Lösung von Problemen als Angst vor Wahlergebnissen ausstrahlt“, sagte dazu Buschmann.
Union und SPD wollen am Dienstag im Rahmen eines Koalitionsausschusses über Lösungsmöglichkeiten beim Wahlrecht beraten. Bisher gibt es dafür getrennte Vorschläge von CDU/CSU und SPD sowie ein gemeinsames Modell von Grünen, Linkspartei und FDP. Alle Modelle sehen eine Verringerung der Zahl der Wahlkreise vor, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Bis auf die Union pochen zudem alle Parteien auf einem vollständigen Ausgleich von Überhangmandaten, die SPD schlägt zudem deren Kappung vor. Überhangmandate entstehen dann, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt, als ihr aufgrund ihres Anteils an den Zweitstimmen zustehen würden.
Nach den derzeitigen Prognosen würden Überhangmandate fast ausschließlich und in größerem Ausmaß an die Union fallen. Das derzeitige Wahlrecht sieht vor, dass solche Zusatzsitze durch Ausgleichsmandate für die übrigen Parteien ausgeglichen werden. Beide Effekte zusammen blähen den Bundestag stark auf. Derzeit gehören dem Parlament 709 statt wie eigentlich vorgesehen 598 Abgeordnete an, nach der nächsten Wahl könnte deren Zahl ohne eine Reform noch deutlich steigen.