Erster Strafprozess im VW-Dieselskandal beginnt in München

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Für den über den Dieselskandal bei Volkswagen gestürzten früheren Audi-Chef Rupert Stadler dürfte Weihnachten 2022 entweder besonders fröhlich oder besonders traurig werden: Ein paar Tage davor will das Landgericht München II nach dann über zweijähriger Prozessdauer entscheiden, ob der frühere Top-Manager und seine drei Mitangeklagten ins Gefängnis müssen. In dem am Mittwoch beginnenden ersten Strafprozess um den Dieselskandal in Deutschland ist der Ausgang völlig ungewiss.

Stadler und die drei Mitangeklagten sind in dem auf 176 Verhandlungstage angesetzten Mammutprozess wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung angeklagt. In der rund 100-seitigen Anklage heißt es, Stadler soll spätestens ab Ende September 2015 von den Abgasmanipulationen bei VW gewusst und dennoch weiter den Verkauf der ebenfalls manipulierten Audis betrieben und beworben haben.

Dem 57 Jahre alten Stadler droht Haft, falls er schuldig gesprochen wird. Denn weil er den Betrug gewerbsmäßig betrieben und einen hohen Vermögensverlust herbeigeführt haben soll, handelt es sich um schweren Betrug – da reicht das Strafmaß auf bis zu zehn Jahre.

Der Prozessauftakt am Mittwoch dürfte aber nicht nur wegen der drohenden Strafe zu einem schweren Gang für den mittlerweile als Berater tätigen früheren Top-Manager werden. Denn die Münchner Justiz wählte als Verhandlungsort nicht das Justizzentrum, sondern einen Saal in der Münchner Justizvollzugsanstalt Stadelheim – es wird also im Gefängnis darüber verhandelt, ob der Ex-Audi-Chef wieder ins Gefängnis muss.

Schon den Sommer 2018 verbrachte Stadler hinter Gittern. Mitte Juni kam er damals als amtierender Audi-Chef in Untersuchungshaft, weil er in einem abgehörten Telefonat die Ermittlungen zu beeinflussen versucht haben soll. Gute vier Monate saß er hinter Gittern, kurz vor seiner Freilassung wurde sein Vertrag als Audi-Chef aufgelöst. 

Stadler bestreitet bisher die Vorwürfe der Anklage. Von den vier Angeklagten ist er derjenige, dem die Anklage die geringste Schuld zuweist: Denn bei ihm geht es nur um die Frage, ob er tatsächlich nach dem Aufkommen des Dieselskandals von den Vorwürfen wusste und dann den Verkauf der manipulierten Diesel hätte stoppen müssen. Bei ihm geht es um 120.398 Autos, er soll einen Schaden von mehr als 27 Millionen Euro zu verantworten haben.

Die anderen Angeklagten dagegen sollen die Manipulationen direkt zu verantworten gehabt haben und rechnerisch am US-Markt für Audi einen Schaden von 3,1 Milliarden Euro verursacht haben. 

Der zweite prominente Manager auf der Anklagebank ist der ehemalige Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz. Auch Hatz bestreitet die Vorwürfe gegen sich. Sein Verteidiger kündigte bereits an, dass dieser sich „ausführlich“ zu den Vorwürfen äußern wolle – Details wollte er aber nicht nennen.

Mit auf der Anklagebank sitzen aber auch Zaccheo Giovanni P. und Henning L., die als Motorenentwickler und Ingenieur technisch am nächsten an den Manipulationen waren. Beide belasteten im Ermittlungsverfahren die Vorstände – von ihren Aussagen dürfte deshalb im Prozess einiges abhängen.

Nachdem mittlerweile fünf Jahre vergangen sind seit Bekanntwerden des Dieselskandals und VW bereits in verschiedenen Zivilverfahren Milliarden zahlen musste, setzt der Münchner Prozess nun eine ganze Serie an Strafprozessen gegen ehemalige Verantwortliche in Gang. 

Jüngst wurden vier weitere Audi-Manager in München angeklagt. In Braunschweig sind mittlerweile gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn zwei Anklagen zugelassen. Auch hier drohen Mammutverfahren.

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