Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will seine geplante Pflegereform soweit wie möglich noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr realisieren. Er wolle in der Koalition nun Eckpunkte für das Vorhaben erarbeiten und „idealerweise“ noch zur Gesetzgebung kommen, sagte Spahn am Montag in Berlin. Die SPD begrüßte Spahns Vorhaben, die Eigenanteile in der stationären Pflege zu deckeln, forderte aber Nachbesserungen.
Spahns Konzept sieht vor, dass Heimbewohner für die stationäre Pflege künftig für längstens 36 Monate maximal 700 Euro pro Monat zahlen müssen. Ziel der Reform ist zudem, dass die Beschäftigten in der Pflege nach Tarif bezahlt werden. Es gehe darum, die professionelle Tätigkeit finanziell anzuerkennen, sagte der Minister.
Zudem sollten die Möglichkeiten für pflegende Angehörige verbessert werden, sich tage- oder wochenweise vertreten zu lassen. Dafür sollten die Verhinderungs- und die Kurzzeitpflege flexibilisiert und kombinierbar werden.
Es gehe ihm vor allem darum, die Pflege kalkulierbar zu machen, sagte der Gesundheitsminister. Die Pflege sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, deshalb solle die Reform zu weiten Teilen aus Steuermitteln finanziert werden. Spahn geht von sechs Milliarden Euro Kosten aus. Durch die Erfahrungen aus der Corona-Krise sei die Akzeptanz dafür gestiegen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verwies auf einen Beschluss der SPD von 2019, in dem sich die Partei für einen Deckel bei den Eigenanteilen ausgesprochen habe. Der Minister begehe aber den Fehler, dass er alle gleich viel bezahlen lassen wolle. „Das kann nicht sein“, sagte der SPD-Generalsekretär. „Hier wird es Gesprächsbedarf geben.“
Die FDP kritisierte Spahns geplante Steuerfinanzierung. „Statt den Jüngeren immer höhere finanzielle Lasten für die Zukunft aufzubürden, muss Spahn die langfristige und generationengerechte Finanzierung der Pflege angehen“, erklärte die FDP-Pflegeexpertin Nicole Westig. „Dazu brauchen wir mehr private Zusatzvorsorge.“
Grüne und Linke kritisierten Spahns Pläne als nicht weitgehend genug. Schon jetzt lägen die Eigenanteile bei über 780 Euro, sagte Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock in Berlin. Dies müsse deutlich stärker reduziert werden. Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger in lobte Spahns Konzept als „in der Sache richtigen Schritt“. Es greife aber zu kurz. Nötig sei eine Pfegevollversicherung nötig. Riexinger begrüßte aber Spahns Vorhaben, die Arbeitgeber zur Einhaltung von Tarifverträgen zu verpflichten.
Die Dienstleistungswerkschaft Verdi verwies darauf, dass die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen über die Eigenanteile hinaus für Investitionskosten, Verpflegung und Unterkunft aufkommen. „Eine Deckelung der Eigenanteile auf 700 Euro ist deshalb noch nicht die große Lösung, die es braucht“, erklärte Verdi.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie hielt Spahn vor, er gehe mit seiner Reform „nur politische Trippelschritte auf dem Weg zu einer echten Reform“. Nötig sei eine „umfassende Gesamtkonzeption, keine Salamitaktik“. Auch der Paritätische Gesamtverband forderte eine weitergehende Begrenzung. Perspektivisch sei eine einheitlichen Vollkaskoversicherung erforderlich.
Nach Ansicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz kommen bei Spahns Reform die pflegenden Angehörigen zu kurz. „Gerade mal 100 Euro im Jahr sollen die mehr als drei Millionen Pflegebedürftigen daheim erhalten“, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der AFP. „Für die pflegenden Angehörigen als größten Pflegedienst Deutschlands hat der Bundesgesundheitsminister nur Peanuts übrig.“