Wegen des gewaltsamen Tods eines Kindergartenkinds im nordrhein-westfälischen Viersen muss sich eine Erzieherin vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten. Der Prozess gegen die 25-Jährige aus Geldern begann am Dienstag mit der Verlesung der Anklage. Die Staatsanwaltschaft legt der Frau Mord in einem Fall und Misshandlung von Schutzbefohlenen in acht weiteren Fällen zur Last. Bei den Opfern habe es sich um „ihr anvertraute wehrlose Kleinkinder“ gehandelt, sagte der Vorsitzende Richter Lothar Beckers.
Im April erlitt eine Dreijährige namens Greta einen Atemstillstand in ihrer Kita. Verursacht haben soll ihn die Erzieherin. Ein Kollege soll das Kind zum Mittagsschlaf ins Bett gebracht und seinen Dienst um 13.30 Uhr beendet haben. Danach sei die Angeklagte mit der dreijährigen Greta allein gewesen. Die 25-Jährige habe daraufhin den Brustkorb des schlafenden Kinds bis zum Atemstillstand „komprimiert“.
Als der Notarzt eintraf, wies das Kind „keine Vitalfunktionen mehr“ auf, wie der Vorsitzende Richter Beckers sagte. Der Notarzt habe die Dreijährige reanimieren können. Wenige Tage später starb sie jedoch im Krankenhaus an einem hypoxischen Hirnschaden – einer schweren Hirnschädigung, die bei extremem Sauerstoffmangel auftritt. Die Tat ereignete sich laut Staatsanwaltschaft am letzten planmäßigen Arbeitstag der Erzieherin, weil die Viersener Kita ihr zum Monatsende gekündigt hatte.
Die 25-Jährige kündigte nach der Verlesung der Anklage an, sich am zweiten Verhandlungstag persönlich zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Nachfragen würden aber nicht zugelassen, erklärte ihr Verteidiger.
Gretas Mutter tritt im Verfahren als Nebenklägerin auf. „Greta war ein fröhliches Kind, das gern in die Kita gegangen ist“, sagte die Rechtsanwältin Marie Lingnau, die die Mutter des getöteten Mädchens vertritt. Der Prozess diene dazu, aufzuklären, wie es in einem geschützten Raum zu so einer Tat habe kommen können.
Obwohl Vorgesetzte und Kollegen die Erzieherin laut Staatsanwaltschaft als „emotions- und teilnahmslos“ bezeichneten, fand die Angeklagte immer wieder Arbeit in Kindertagesstätten. Unter anderem war sie in Kindergärten in Krefeld, Kempen, Tönisvorst und Viersen beschäftigt.
In all diesen Kitas soll die 25-Jährige seit 2017 Kindern den Brustkorb bis hin zu Atemnot oder Atemstillstand zusammengedrückt haben. Den Tod der Kinder habe sie dabei in acht Fällen „mindestens billigend in Kauf genommen“.
In einem Kindergarten in Krefeld drückte die Erzieherin laut Anklage viermal einem 2014 geborenen Jungen so stark den Brustkorb zusammen, dass dieser „mehrfach nicht mehr ansprechbar“ gewesen sei. In einem Fall habe der Junge an Armen und Beinen gezuckt und aus dem Mund geblutet.
In einer Kempener Kita soll sie einen 2016 geborenen Jungen in vier Fällen auf gleiche Weise misshandelt haben. Der Junge habe dadurch an Atemnot bis zum Atemstillstand und Krämpfen gelitten.
Einem Kindergartenkind mit angeborenem Herzfehler in Tönisvorst drückte die Angeklagte laut Staatsanwaltschaft im Oktober 2019 im Wickelraum den Brustkorb zusammen, bis das Mädchen blau anlief, die Augen verdrehte und das Bewusstsein verlor.
Nach ihren Taten habe sie Kollegen auf den Zustand der jeweiligen Kinder hingewiesen und Rettungsmaßnahmen veranlasst. „Die Taten sind dadurch aufgefallen, dass ein Kind tragischerweise nicht überlebt hat“, sagte Stefan Lingens von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach. Zu Beginn der Ermittlungen sei die Erzieherin zunächst als Zeugin befragt worden. Es könne schließlich „durchaus mal sein, dass ein Kind an Atemnot leidet“.
Sollte sie des Mordes schuldig gesprochen werden, droht der Erzieherin eine lebenslange Freiheitsstrafe. Das Gericht habe eine „Vielzahl von Zeugen“ geladen, sagte ein Gerichtssprecher. Dazu zählen auch zwei medizinische Gutachter, die eine psychologische Beurteilung erstellen sollen. Das Verfahren findet vor einem Schwurgericht statt und ist zunächst bis März 2021 angesetzt.