Ein Jahr nach ihrer Wahl ist es still geworden um Esken und Walter-Borjans

Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken - Bild: Thomas Imo / photothek.de
Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken - Bild: Thomas Imo / photothek.de

Es begann mit einem Knall: Als Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans vor einem Jahr den SPD-Mitgliederentscheid für den Parteivorsitz gewannen, war die Aufregung groß. Zwei wenig prominente linke Genossen besiegten Vizekanzler Olaf Scholz und seine Duo-Partnerin Klara Geywitz. Der Bruch der GroKo stand im Raum, die neuen Chefs machten vollmundige Ankündigungen. Doch in der Corona-Krise ist es still um sie geworden – während Scholz als Herr über die Hilfsmilliarden Schlagzeilen macht.

Esken und Walter-Borjans hatten im parteiinternen Wahlkampf vor allem mit scharfer Rhetorik gegen die von vielen Sozialdemokraten weiterhin ungeliebte große Koalition gepunktet. Nach ihrem Sieg bemühten sie sich aber klar zu machen, dass es ihnen nicht um einen schnellen Bruch gehe, sondern um neue Verhandlungen mit der Union zu mehreren Punkten. Von deren Erfolg hänge dann die Zukunft des Bündnisses ab.

Die Union lehnte eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages ab. Letztlich vermied die neue SPD-Spitze auf dem Parteitag Anfang Dezember eine direkte Abstimmung über die Fortsetzung der GroKo – und in der Folgezeit rauften sich beide Partner zusammen. Streitpunkte gab es durchaus, etwa bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland. Auch Eskens Rassismus-Vorwürfe an die Polizei sorgten für Unruhe. Jedoch kam die Koalition dem Bruch nie nahe.

Dann kam Corona. In den ersten Monaten der Pandemie mischten Esken und Walter-Borjans noch kräftig mit. So verhinderten sie beim zweitägigen Koalitionsausschuss zum Konjunkturpaket Anfang Juni eine Autoprämie für Verbrenner und setzten den Kinderbonus durch. Doch die Koalitionsrunden wurden weniger – stattdessen übernahmen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten das Kommando.

Mit im Boot ist dabei immer auch Scholz, der als Finanzminister zusätzliche Wirtschaftshilfen abnicken muss. Esken und Walter-Borjans hingegen sind nun auf dem Abstellgleis. Ohne Regierungsamt haben sie in der viel zitierten „Stunde der Exekutive“ praktisch nichts zu sagen.

Ein weiteres Problem: Seit dem Amtsantritt von Walter-Borjans und Esken haben sich die Umfragewerte der SPD kaum verändert – allerdings auch nicht seit der Nominierung von Scholz zum Kanzlerkandidaten. Weiterhin dümpelt die Partei zwischen 13 und 16 Prozent – weit entfernt von der Union, die in der Corona-Krise zeitweise sogar den 40 Prozent nahe kam, und auch stets hinter den Grünen.

Das von den Parteichefs kurz nach ihrer Wahl ausgegebene Ziel von 30 Prozent scheint in unerreichbarer Ferne. Dass prominente Sozialdemokraten weiterhin den Anspruch wiederholen, die nächste Bundesregierung zu führen, hat schon etwas Trotziges.

Und vor der Bundestagswahl stehen auch noch einige Landtagswahlen an, die für die Sozialdemokraten unbefriedigend ausgehen könnten. So droht Mitte März der Verlust der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei; bei den Wahlen in Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen-Anhalt wäre schon ein zweistelliges Ergebnis für die Sozialdemokraten Grund zu Freude.

Und dann ist da die Bundestagswahl. Scholz zum Kanzlerkandidaten zu küren, war Anfang August ein gelungener Coup von Esken und Walter-Borjans – vorab war von dem offenbar schon wochenlang feststehenden Beschluss nichts nach außen gedrungen.

Dennoch schlummert hier Konfliktpotenzial: Das Wahlprogramm muss schließlich zum – vergleichsweise konservativen – Kandidaten passen, kann aber auch nicht zu weit von den bekannten Positionen der – deutlich linkeren – Parteiführung abweichen. Die keilt immer mal wieder heftig gegen die Union, mit der Scholz weitgehend geräuschlos zusammenarbeitet.

Und so wird die Zukunft der beiden Parteivorsitzenden insbesondere davon abhängen, wie gut sie mit Scholz im Wahlkampf harmonieren und wie überzeugend sie ihn unterstützen. Sollte die Bundestagswahl für die SPD enttäuschend ausgehen, dürfte für alle drei die politische Zukunft düster aussehen.

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