Bundesgerichtshof entscheidet am Donnerstag über Bombenanschlag von Wehrhahn

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
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Mehr als 20 Jahre nach dem Bombenanschlag von Düsseldorf-Wehrhahn urteilt am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) im Revisionsverfahren. Die Karlsruher Richter verkünden ihre Entscheidung darüber, ob der Freispruch des Angeklagten durch das Düsseldorfer Landgerichts bestehen bleibt. Bei dem Anschlag im Juli 2000 wurden zehn Menschen verletzt, eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind. Der Angeklagte Ralf S. wurde 2018 vom Vorwurf des versuchten Mordes in zwölf Fällen freigesprochen. (Az. 3 StR 124/20)

Am Geländer der Fußgängerbrücke des S-Bahnhofs Wehrhahn war am 27. Juli 2000 eine in einer Plastiktüte versteckte selbstgebaute Rohrbombe explodiert. Zum Zeitpunkt der Explosion waren zwölf Sprachschüler aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan auf der Brücke, die meisten von ihnen jüdischen Glaubens. Zehn Menschen wurden von den umherfliegenden Metallsplittern teils lebensgefährlich verletzt. Das ungeborene Baby einer im sechsten Monat schwangeren Frau konnte nicht mehr gerettet werden. 

Bereits unmittelbar nach dem Anschlag vermuteten die Ermittler einen rechtsradikalen Hintergrund. S. geriet schon damals in ihr Visier. Er war als Neonazi bekannt, handelte mit Militaria und lebte in der Nähe des Tatorts. Kurzzeitig wurde er festgenommen und befragt, dann aber wieder freigelassen, weil sich der Verdacht gegen ihn nicht erhärten ließ.

Jahrelange Ermittlungen in unterschiedliche Richtungen erbrachten keine verwertbaren Erkenntnisse. Spuren verliefen sich, Verdachtsfälle erhärteten sich nicht. Im Juli 2014 nahm die Staatsanwaltschaft dann die Ermittlungen gegen S. wieder auf, der zwischenzeitlich wegen einer anderen Sache im Gefängnis gesessen hatte. Ein Mithäftling sagte aus, er habe ihm gegenüber mit einem Anschlag an einem Bahnhof geprahlt. Im Januar 2018 wurde S. in Untersuchungshaft genommen.

Der Prozess am Düsseldorfer Landgericht erstreckte sich über 32 Verhandlungstage innerhalb von sechs Monaten. 78 Zeugen wurden gehört. Am Ende stand ein Freispruch: Im Juli 2018 urteilte das Gericht, dass die Indizienbeweise nicht ausreichten, um die Täterschaft des Angeklagten zweifelsfrei nachzuweisen. Unmittelbare Beweise gab es demnach nicht.

Bei den Zeugenaussagen „blieben viele Fragen offen und Widersprüche traten auf“, hieß es zur Begründung. Der Angeklagte habe nicht am Tatort sein können, weil er schon kurz nach der Explosion von seiner Wohnung aus telefoniert habe. Zudem habe sich das ursprünglich angenommene Motiv – ein der Tat vorhergegangener Streit zwischen S. und einer anderen Gruppe Sprachschüler – nicht bestätigt.

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision beim BGH ein, der am 26. November 2020 über die Sache verhandelte. Die Bundesanwaltschaft, die vor dem BGH anstelle der Staatsanwaltschaft auftritt, schloss sich diesem Antrag allerdings nicht an.

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