Bundesregierung verteidigt verschärfte Grenzkontrollen gegen Kritik

Symbolbild: Bundestag
Symbolbild: Bundestag

Die verschärften Grenzkontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Österreich aus Furcht vor der Ausbreitung von Coronavirus-Varianten sorgen weiter für Unmut. Die österreichische Regierung protestierte am Montag erneut gegen die seit Sonntag geltenden Beschränkungen, die Bundesregierung verteidigte das Vorgehen dagegen als notwendig. An den Grenzen bildeten sich zum Teil kilometerlange Staus. 

Es gehe um „zeitweise vorübergehende verstärkte Grenzkontrollen, nicht um Grenzschließungen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Es müsse alles Notwendige getan werden, um zu verhindern, dass die deutlich aggressiveren Virusvarianten sich in Deutschland genauso schnell ausbreiten wie in den Nachbarländern.

Seit Sonntag finden an den Grenzen zu Tschechien und Tirol in Österreich strenge Kontrollen statt. Die Einreise für Berufspendler etwa im Gesundheits- und Pflegebereich bleibt aber weiter möglich. Am Donnerstag hatte sich die Bundesregierung darauf verständigt, Tschechien, die Slowakei und das österreichische Bundesland Tirol als „Virusvarianten-Gebiete“ einzustufen.

In Österreich stößt das Vorgehen auf Unverständnis. Bei einem Gespräch mit dem deutschen Botschafter Ralf Beste in Wien sei darauf hingewiesen worden, dass die „extrem strengen“ Maßnahmen „unverhältnismäßig“ seien, hieß es aus dem österreichischen Außenministerium. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin betonte, dass es sich bei dem Gespräch am Sonntagabend ausdrücklich nicht um eine Einbestellung des Botschafters gehandelt habe, sondern um ein „konstruktives Gespräch in freundlicher Atmosphäre“.

Die Grenzkontrollen stünden in einem „klaren Widerspruch zu den ‚lessons learned‘ des letzten Frühjahres“, erklärte indes das österreichische Außenamt laut der Nachrichtenagentur APA. „Wir sind alle dringend aufgefordert, die Fehler vom Frühjahr 2020 nicht zu wiederholen.“ Es gebe eine „gemeinsame Verantwortung für eine der wesentlichen Wirtschaftsadern auf unserem Kontinent“.

Die deutsche Autoindustrie fürchtet wegen der Grenzkontrollen zu Tschechien und Österreich weiter Lieferprobleme. Die Lage an den Grenzen sei „sehr schwierig“, erklärte der Branchenverband VDA. Die Kontrollen hätten „Auswirkungen auf die Transportlogistik vieler Betriebe in ganz Deutschland“. Der Verband forderte „ein intelligentes Grenzmanagement, damit die Lkw-Fahrer mit negativen Tests schnell durchkommen“. 

Die verschärften Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Österreich behinderten am Montag auch den Verkehr. So kam es am Grenzübergang Breitenau-Schönwald in Sachsen an der Autobahn 17 in Richtung Dresden zu langen Staus, in Bayern gab es ebenfalls vor allem an der Grenze zu Tschechien an der Autobahn 6 bei Waidhaus längere Verzögerungen. 

An den Grenzen zu Österreich und Tschechien wurde nach Angaben der Bundespolizei bis zum frühen Montagmorgen etwa jeder dritte Kontrollierte abgewiesen. Binnen 30 Stunden habe es fast 5000 Abweisungen wegen „Corona-Verstößen“ gegeben, teilte die Bundespolizei mit. 

Die SPD-Spitze machte ihr Unbehagen über die Kontrollen deutlich. „Grenzschließungen hinterlassen eine tiefe Narbe in unserem Europa“, sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans. Gerade jungen Menschen, „die überhaupt keine Grenzen mehr kennengelernt haben“, sei dieses „Inzidenzmessen nach Schlagbaum“ kaum zu vermitteln. Walter-Borjans forderte ein rasches Ende der Kontrollen: „Das geht nicht, wir müssen da runterkommen.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte das Vorgehen und warnte vor zu vielen Ausnahmen. „Je weniger Ausnahmen es gibt, desto besser funktionieren die Kontrollen“, erklärte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt. Die Politik sei gut beraten, sich „auf absolute Ausnahmen zu beschränken“. Nicht jeder, der es von sich behaupte, sei auch „systemrelevant“. 

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