EuGH-Generalanwalt: Ungarische Regelung beeinträchtigt Recht zur Vorlage an EuGH

EuGH/Justizia
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Ein nationales Gericht muss nationale Vorschriften ignorieren, die sein Recht beeinträchtigen, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu befragen. Diese Meinung vertrat der zuständige EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe am Donnerstag in seinen Schlussanträgen zu mehreren Fragen eines Richters des Zentralen Stadtbezirksgerichts Pest in Ungarn. Dieser entscheidet über den Fall eines Schweden, dem ein Verstoß gegen die Waffenvorschriften vorgeworfen wird. (Az. C-564/19 IS)

Er will vom EuGH wissen, ob er das Verfahren in Abwesenheit des Beschuldigten überhaupt weiterführen kann, weil die Qualität von Dolmetscherleistungen nicht systematisch überprüft werden könne. In diesem Fall müsse der Anwalt anfechten können, wie das Recht des Beschuldigten auf Belehrung in einer Sprache, die er verstehe, angewandt worden sei, erklärte der EuGH-Generalanwalt.

Der ungarische Richter wollte aber noch mehr wissen. Der Oberste Gerichtshof hatte nämlich seinen Vorlagebeschluss an den EuGH für rechtswidrig erklärt und gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet – es aber später wieder zurückgezogen. Er hatte unter anderem auch gefragt, ob Beförderungspraxis und Besoldung der Richter einen Verstoß gegen ihre Unabhängigkeit darstellten.

Diese Fragen hielt der Generalanwalt für unzulässig, weil sie für den Fall des Schweden unerheblich seien. Allerdings beeinträchtige das Vorgehen des obersten ungarischen Gerichtshofs – und die ihr zugrunde liegende nationale Regelung – die Funktionsweise des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH, wie das EU-Recht sie vorsieht.

Nur das nationale Gericht, das dem EuGH eine Frage vorlege, prüfe, wie wichtig diese sei. Nur der EuGH sei dazu befugt, diese Beurteilung zu bewerten, erläuterte Pikamäe. Darum müsse das Stadtbezirksgericht die Entscheidung des obersten ungarischen Gerichtshofs unangewendet lassen. Die EuGH-Richter müssen dem Generalanwalt in ihrem Urteil nicht folgen, tun es aber oft.

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