Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat sich am Dienstag mit einem weiteren Aspekt des VW-Dieselskandals befasst: die Finanzierungskosten des Autokaufs. Der sechste Zivilsenat entschied, dass der Autobauer einer betroffenen Käuferin neben dem Kaufpreis auch die Darlehenszinsen und die Kosten für eine Kreditausfallversicherung erstatten muss. Er bestätigte damit ein Urteil des Kölner Oberlandesgerichts und verwarf die Revision von VW. (Az. VI ZR 274/20)
Die Klägerin hatte 2013 für 18.500 Euro einen fast neuen VW Golf erworben und größtenteils mit einem Darlehen der Volkswagen Bank finanziert. Nach Bekanntwerden des Dieselskandals verklagte sie den Autokonzern wegen der illegalen Abschalteinrichtung in der Abgasreinigung 2018 auf Erstattung des Kaufpreises und Rückerstattung der Finanzierungskosten von mehr als 3000 Euro.
Landgericht und Oberlandesgericht Köln gaben ihr recht und verurteilten den Konzern zur Rückerstattung abzüglich einer Gebühr für die Nutzung des Fahrzeugs. Nun bestätigte der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts. Dieses habe keine Rechtsfehler gemacht, hieß es bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.
Hätte die Klägerin das Auto nicht gekauft, hätte sie den Kaufpreis auch nicht mit einem Darlehen finanziert. Sie sei so zu stellen, als wäre es nicht zum Fahrzeugerwerb gekommen.
Rechtsanwalt Florian Rosing, der die Klägerin vertreten hatte, zeigte sich nach der Urteilsverkündung zufrieden. „Unsere Erwartung hat sich bestätigt, dass der BGH sich auf die Seite der Verbraucher stellt“, sagte er. Das Gericht habe bestätigt, dass im Rahmen des Dieselskandals geschädigten Verbrauchern sämtliche finanzielle Schäden ersetzt würden.
VW seinerseits sprach von einer „Sonderkonstellation“. „Das Urteil kann nicht auf alle finanzierten Fahrzeugkäufe übertragen werden“, teilte der Konzern mit. Die meisten Kunden hätten nämlich ein sogenanntes verbrieftes Rückgaberecht vereinbart: Dabei entscheidet sich der Käufer bei Fälligkeit der letzten Rate dafür, das Auto entweder zurückzugeben oder durch Zahlung der Schlussrate zu erwerben.
Liege diese Schlussrate zeitlich nach Bekanntwerden des Dieselskandals im September 2015, ist dem Käufer nach Ansicht des Konzerns kein erstattungsfähiger Schaden entstanden. Diese Frage habe der BGH am Dienstag aber nicht entscheiden müssen, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP.
Rosing sagte AFP, die Kanzlei Baumeister Rosing vertrete „bestimmt 1000“ ähnlich gelagerte Fälle wie den am Dienstag entschiedenen. Es gehe für die Mandanten in der Summe um einige Millionen Euro.
Es war bei weitem nicht das letzte Urteil im Dieselskandal. An deutschen Gerichten sind insgesamt zehntausende Verfahren anhängig. Auch der BGH muss noch einige Fälle entscheiden. So soll etwa im Sommer über mehrere einander ähnliche Verfahren verhandelt werden, in denen Kläger ein Neufahrzeug als Ersatz wollen.