Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat sich die US-Regierung für eine vorübergehende Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe ausgesprochen. „Das ist eine weltweite Gesundheitskrise, und die außergewöhnlichen Umstände der Covid-19-Pandemie verlangen nach außergewöhnlichen Maßnahmen“, erklärte die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai am Mittwoch. Die US-Regierung glaube zwar fest an den Schutz geistigen Eigentums; sie werde sich aber bei der Welthandelsorganisation WTO für eine Ausnahmeregelung bei Corona-Impfstoffen einsetzen, „um diese Pandemie zu beenden“.
„Das Ziel der Regierung ist es, möglichst viele Menschen so schnell wie möglich mit sicheren und wirksamen Impfstoffen zu versorgen“, erklärte Tai. Die Handelsbeauftragte betonte zugleich, die Verhandlungen bei der WTO könnten dauern, weil ein „Konsens“ gefunden werden müsse. Tai verwies auch auf die „Komplexität“ des Themas.
Nichtregierungsorganisationen sowie Entwicklungs- und Schwellenländer fordern die vorübergehende Ausnahmeregelung, damit die weltweite Impfstoff-Produktion angekurbelt werden kann. Das wurde von Industrienationen, in denen die großen Pharmakonzerne ansässig sind, bislang aber abgelehnt.
Bei Menschenrechtsorganisationen stieß die Ankündigung der USA deswegen auf Jubel. Amnesty International schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, US-Präsident Joe Biden habe damit klar gemacht, „dass die USA das Leben von Menschen über die Gewinne von Pharmaunternehmen stellen“. Es handle sich um einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, um einen „erschwinglichen und fairen Zugang zu Impfstoffen weltweit“ zu ermöglichen.
Andrew Stroehlein von Human Rights Watch schrieb auf Twitter von „riesigen und unglaublich willkommenen Nachrichten“. Jetzt sei bei dem Thema die EU am Zug. Sie müsse „Menschenleben über die Gewinne von Pharmaunternehmen“ stellen.
Negativ reagierten dagegen Anleger: Die Aktienkurse von Impfstoffherstellern wie Biontech, Moderna und Novavax erlitten teils deutliche Kursverluste. So rutschte der Kurs der Moderna-Aktie um zwischenzeitlich mehr als sechs Prozent in den Keller.
Die Verhandlungen für eine Aussetzung des Patenschutzes werden bei der WTO geführt. Indien und Südafrika machen dort schon seit geraumer Zeit Druck, um eine vorübergehende Aussetzung des Patentschutzes bei den Vakzinen zu erreichen.
Unmittelbar vor der Ankündigung der USA rief WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala die Mitgliedstaaten auf, sich der Dringlichkeit der Frage der gerechten Verteilung von Impfstoff bewusst zu werden. „Die Art und Weise, wie die WTO dieses Thema behandelt, ist entscheidend“, sagte sie am Mittwoch in Genf. Ein gerechter Zugang zu den Mitteln im Kampf gegen die Corona-Pandemie sei „das moralische und wirtschaftliche Thema unserer Zeit“. Die Frage müsse „mit größter Dringlichkeit“ beantwortet werden.
Nach Angaben eines WTO-Sprechers gab es bei den Verhandlungen über eine mögliche Patentaussetzung für Impfstoffe „sehr konstruktive“ Gespräche. Indien und Südafrika als besonders energische Verfechter einer Aussetzung hätten angekündigt, ihren Vorschlag dafür „zu überarbeiten“ und in der kommenden Woche einen möglichen Kompromisstext vorzulegen.
Diese Ankündigung wurde von Okonjo-Iweala begrüßt. „Ich bin fest überzeugt: Wenn wir einmal alle mit einem konkreten Text vor uns zusammensitzen, dann werden wir einen pragmatischen und für alle Seiten akzeptablen Weg finden.“