Für die Bundesregierung ist es ein „Meilenstein“ auf dem Weg zu einem besseren Schutz der Menschenrechte: Nach langem Ringen hat der Bundestag am Freitag das Lieferkettengesetz beschlossen, das Ausbeutung oder Kinderarbeit in der global vernetzten Wirtschaft einen Riegel vorschieben soll. Während Menschenrechtsorganisationen in dem Gesetz einen Schritt in die richtige Richtung sehen, gibt es von Wirtschaftsverbänden weiter Kritik.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sprachen am Freitag von einem Meilenstein. „Wir dürfen nicht wegschauen“, sagte Müller – auch mit Blick auf das Unglück von Rana Plaza, bei dem vor acht Jahren beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mehr als tausend Menschen getötet worden waren. „Wir müssen vom freien zum fairen Handel kommen“, forderte er. Eine gerechte Globalisierung sei „die soziale Frage des 21. Jahrhunderts“.
Heil betonte, dass das Gesetz gegen „erhebliche Lobbyinteressen“ durchgesetzt worden sei. „Wer global wirtschaftet und Profite macht, muss auch global Verantwortung für Menschenrechte übernehmen“, mahnte er.
Das Gesetz soll Unternehmen dazu verpflichten, menschenrechtliche Standards in ihren Lieferketten einzuhalten. Die Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich dabei, abgestuft nach Einflussmöglichkeiten, auf die gesamte Kette. „Für mich war immer entscheidend, dass die gesamte Lieferkette – von der Rohstoffproduktion bis zur Ladentheke in Deutschland fest im Gesetz verankert ist“, erklärte Müller.
Ab 2023 soll das Gesetz zunächst für Unternehmen mit 3000 Beschäftigten gelten, ein Jahr später dann auch für Unternehmen ab 1000 Beschäftigten. Auch ausländische Unternehmen mit einer Niederlassung oder einer Tochtergesellschaft in Deutschland werden erfasst.
Die Unternehmen müssen dann bei direkten Zulieferern sowie anlassbezogen auch bei indirekten Zulieferern Risiken für Menschenrechtsverletzungen oder beispielsweise auch Umweltzerstörung ermitteln, wo nötig Gegenmaßnahmen ergreifen und diese gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) dokumentieren.
Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen den Unternehmen hohe Bußgelder. Heil hob hierzu hervor, dass es eine „robuste behördliche Durchsetzung“ geben werde.
Über die bestehenden Regeln hinaus sollen Unternehmen aber nicht zivilrechtlich für Menschenrechtsverletzungen belangt werden können. Daran gibt es trotz grundsätzlicher Zustimmung zum Lieferkettengesetz weiterhin Kritik aus den Reihen von Entwicklungshilfe- und Umweltorganisationen.
„Das bedeutet, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen auf Basis dieses Gesetzes keinen Schadensersatz von Unternehmen einklagen können“, erklärte die Initiative Lieferkettengesetz, der sich dutzende Organisationen angeschlossen haben, darunter Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsverbände sowie Vertreter kirchlicher Organisationen.
„Im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in den Lieferketten sind wir noch lange nicht am Ziel, aber seit heute endlich am Start“, erklärte die Initiative. Sie kritisierte, dass das Gesetz zu wenige Unternehmen umfasse und zu viele Ausnahmen bei den Sorgfaltspflichten mache und zudem „leider kein Zeichen für den Klimaschutz in Lieferketten“ setze.
Amnesty International beklagte „Lücken beim Menschenrechtsschutz“, die Kinderrechtsorganisation Save the Children erklärte, die Sorgfaltspflicht reiche „nicht unmittelbar bis an die Produktionsstandorte und macht das Wegschauen bei Kinderrechtsverletzungen noch zu einfach“.
Vielen Wirtschaftsverbänden geht das Gesetz hingegen zu weit. Sie beklagen große Herausforderungen und Belastungen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) forderte, die Bundesregierung dürfe die Informationsbeschaffung über die spezifische Menschenrechtssituation vor Ort „nicht allein auf Unternehmen abwälzen“. Sie müsse das Bafa zur „zentralen Anlaufstelle für Unternehmen machen“. Der Maschinenbauerverband VDMA beklagte, das Gesetz bürde den Unternehmen „unnötig Bürokratie auf“.