EuGH verurteilt Deutschland wegen zu hoher Stickoxid-Werte

Symbolbild: EuGH
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Deutschland hat jahrelang nicht genug gegen die hohe Belastung mit Stickoxiden getan. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg gab am Donnerstag einer entsprechenden Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen Deutschland statt. Die Grenzwerte seien in 26 Städten und Regionen jahrelang „systematisch und fortdauernd“ überschritten worden, ganz besonders in den Ballungsräumen Stuttgart und Rhein-Main. (Az: C 635/18)

Die Grenzwerte für Stickoxide wurden 2008 beschlossen und sind seit 2010 verbindlich. Danach darf das Jahresmittel für Stickoxide an keiner Messstelle über 40 Mikrogramm liegen, und das Stundenmittel darf höchstens 18-mal im Jahr die Schwelle von 200 Mikrogramm überschreiten.

2018 hatte die EU-Kommission neben Deutschland auch Frankreich und Großbritannien verklagt, weil diese Grenzen nicht eingehalten würden. EU-Recht verlange aber, dass solche Überschreitungen so rasch wie möglich beendet werden. Zehn Jahre lang hätten die Länder „genügend ‚letzte Chancen‘ gehabt“, sagte der damalige EU-Umweltkommissar Karmenu Vella.

Der EuGH gab der Klage gegen Deutschland nun in vollem Umfang“ statt. Die Luxemburger Richter betonten, dass Überschreitungen allein noch nicht zu einer Verurteilung geführt hätten. Deutschland habe jedoch „offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickoxide in den 26 in Rede stehenden Gebieten so kurz wie möglich gehalten wird“.

Ohne Erfolg hatte Deutschland versucht, einen Teil der Verantwortung an die EU-Kommission zurückzugeben. Diese sei bei der Typengenehmigung von Dieselfahrzeugen insbesondere der Abgasnorm Euro 5 nachlässig gewesen. Zu dieser Normgruppe gehört auch der wichtigste vom Dieselskandal betroffene VW-Motor EA 189.

Der EuGH betonte, dass die Typengenehmigung für bestimmte Kraftfahrzeuge nicht von der Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte befreien kann. Ohnehin gehe die Stickoxid-Belastung nicht nur von Autos aus. Stellt der EuGH nun eine Vertragsverletzung fest, kann die Kommission Zwangsgelder beantragen, sofern Deutschland die Stickoxid-Grenzwerte weiter nicht einhält.

In Deutschland hatte es jahrelang Streit um die Luftreinhaltepläne für die von zu hohen Stickoxid-Werten betroffenen Länder gegeben. Die Deutsche Umwelthilfe hatte gegen neun Bundesländer für bessere Luft in insgesamt 40 Städten geklagt und wo nötig auch Fahrverbote für Diesel-Pkw gefordert. Die Länder hatten dies meist als überzogen abgewiesen.

Erst im Februar 2018, keine drei Monate vor der Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission, hatte das Bundesverwaltungsgericht in Urteilen zu Stuttgart und Düsseldorf klargestellt, dass die Luftreinhaltepläne auch Fahrverbote für Diesel-Pkw vorsehen müssen, wenn anders die europarechtlichen Grenzwerte nicht zeitnah eingehalten werden können.

„Die rechtskräftige Verurteilung der Bundesregierung durch das höchste europäische Gericht ist eine schallende Ohrfeige für die Diesellobbyisten auf der Regierungsbank“, erklärte nun der Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe, Jürgen Resch. Deutschland habe „seit über zehn Jahren systematisch und vorsätzlich europäisches Recht gebrochen“.

Konkret rügte mit der EU-Kommission nun auch der EuGH gleich doppelte Verstöße in den Ballungsräumen Stuttgart und Rhein-Main. Dort seien neben dem Jahresmittel auch die Stundengrenzwerte „systematisch und anhaltend“ nicht eingehalten worden.

Zuletzt hatte es allerdings eine Verbesserung gegeben. Im vergangenen Jahr überschritten nach Angaben des Umweltbundesamtes noch sechs Städte die Grenzwerte für NO2. Oberhalb des Grenzwertes lagen 2020 demnach München, Ludwigsburg, Limburg, Stuttgart sowie Darmstadt und Hamburg. Erzeugt wird die hohe Belastung laut Umweltbundesamt zum großen Teil von Dieselautos.

Als Gründe für die Verringerung führte die Behörde unter anderem Softwareupdates und sauberere Fahrzeuge im Zuge einer Flottenerneuerung an. Ein durch die Corona-Pandemie bedingter Rückgang des Straßenverkehrs im Frühjahr 2020 sei auf das gesamte Jahr betrachtet hingegen kaum ins Gewicht gefallen.

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