In Chile hat am Samstag die Wahl zur verfassunggebenden Versammlung begonnen. Rund 14 Millionen Chilenen sind am Samstag und Sonntag aufgerufen, die 155 Delegierten der Versammlung aus mehr als 1300 Kandidaten zu bestimmen. 17 Sitze sind Vertretern der indigenen Bevölkerung vorbehalten. Das Gremium wird zudem paritätisch besetzt – das heißt, es sind ebenso viele Männer wie Frauen vertreten.
In einem historischen Referendum hatten im Oktober mehr als drei Viertel der Wahlberechtigten in Chile für eine neue Verfassung gestimmt. Die Abschaffung der bisherigen Verfassung, die noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973-90) stammt, zählte zu den zentralen Forderungen bei den Massenprotesten ab Oktober 2019 in Chile.
Zahlreiche chilenische Bürgerbewegungen und politische Parteien der Linken und der Mitte sehen in der Verfassung ein Hindernis für tiefgreifende Sozialreformen und eine Ursache der eklatanten wirtschaftlichen Ungleichheit in dem südamerikanischen Land. Die Wahl sei „sicherlich“ die wichtigste der vergangenen Jahrzehnte, da „es um ein neues Chile geht“, erklärte der Politikwissenschaftler Claudio Fuentes von der Diego Portales Universität.
Die neue Verfassung muss innerhalb von neun Monaten ausgearbeitet werden, mit einer möglichen Verlängerung um maximal drei Monate. 2022 wird in einem Referendum darüber abgestimmt. Um die Ansteckungsgefahr in der Corona-Pandemie zu verringern, wurde die Wahl auf zwei Tage ausgedehnt. Zeitgleich finden auch Kommunal- und Regionalwahlen statt. Beobachter sehen die Abstimmungen auch als Stimmungstest für die im November anstehende Präsidentschaftswahl.
Prognosen über den Wahlausgang sind schwierig, Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die unabhängigen Kandidaten nur schwerlich gegen die traditionellen Parteien durchsetzen dürften. Die linksgerichtete Opposition setzt sich für Sozialreformen wie das Recht auf Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnraum ein.
Die Kandidaten der regierenden Konservativen, die mit einer gemeinsamen Wahlliste mit der extremen Rechten antreten, verteidigen hingegen den Status quo, der ihrer Ansicht nach das Wirtschaftswachstum des Landes begünstigt hat. Die Wahllokale sind am Samstag und Sonntag jeweils bis 18.00 Uhr (Ortszeit) geöffnet. Erste Hochrechnungen werden für den frühen Sonntagabend erwartet.