Vor den neuen Spitzenberatungen von Bund und Ländern über die nächsten Schritte in der Corona-Politik dringen führende SPD-Politiker auf eine klare Perspektive für den Ausstieg aus dem Lockdown. „Ich bestehe darauf, dass wir am Mittwoch eine Öffnungsperspektive konkret formulieren“, sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntagabend in der Internetsendung „Bild live“. Ähnlich äußerten sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Scholz sprach sich dafür aus, die nächsten Öffnungsschritte nicht mehr allein vom Erreichen bestimmter Inzidenzwerte wie 50 oder 35 abhängig zu machen. Stattdessen müssten umfangreiche Schnelltests „aktiv für eine Öffnungsstrategie“ genutzt werden. Testen sei „ein Teil des Wegs aus dem Lockdown“, sagte Scholz.
Hoffnung machte er den Bürgern auch auf Sommerurlaube. Zur möglichen Urlaubsreisen im Sommer sagte der SPD-Kanzlerkandidat: „Im Sommer werden zig Millionen geimpft sein, und das kann ja nicht konsequenzenlos bleiben.“ Auch bestehe die berechtigte Hoffnung, „dass wir im Sommer wieder im Biergarten sitzen können“.
Am Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder die nächsten Entscheidungen in der Corona-Politik treffen. In ihrer letzten Spitzenrunde vor drei Wochen hatten sie vereinbart, dann eine Perspektive für Lockdown-Öffnungen vorzustellen; diese sollten vom Erreichen des Inzidenzwerts 35 abhängig gemacht werden. Allerdings steigen die Infektionszahlen und Inzidenzwerte inzwischen wieder leicht.
Dennoch forderte auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) konkrete Lockerungsbeschlüsse. „Für mich ist ganz klar, dass es Öffnungsschritte geben muss“, sagte Giffey dem „Handelsblatt“. „Die neuen Entwicklungen bei der Zulassung von Selbsttests und das begonnene Impfen geben Rückenwind dafür.“
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich pochte ebenfalls auf konkrete Bund-Länder-Beschlüsse: „Die Menschen müssen endlich wissen, wann und nach welchen Kriterien gelockert oder gegebenenfalls auch wieder verschärft wird“, sagte Mützenich der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagsausgabe). Das gelte für Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus, aber auch für einzelne Öffnungsschritte.
Am bisherigen Krisenmanagement übte der Chef der SPD-Bundestagsfraktion deutliche Kritik. Er hätte sich „weniger unabgestimmtes Vorpreschen einzelner Länder und mehr Geschlossenheit gewünscht“, sagte er der „SZ“.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warnte derweil vor einem „Blindflug in die dritte Welle“ hinein. Es dürfe in der Runde am Mittwoch „kein Öffnungsrausch“ entstehen, sondern es müsse „ein kluges und ausbalanciertes Öffnen“ geben, sagte Söder in München. „Wir müssen die richtige Balance finden zwischen Vorsicht und Öffnen.“ Die besonders ansteckende Virus-Mutation breite sich weiter aus und „beginnt zu übernehmen“, warnte Söder.
Auch die Grünen mahnten besondere Vorsicht bei Öffnungsschritten an – wobei auch sie eine wichtige Rolle für Schnelltests sehen. In einem am Montag vorgelegten Strategiepapier schlugen Grünen-Chef Robert Habeck und Gesundheitsexperte Janosch Dahmen unter anderem vor, dass jeder Bürger sich „mindestens zwei Mal in der Woche“ auf das Coronavirus testen können soll. Schnelltests sollten für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, kostenlos sein.
Die beiden Grünen-Politiker forderten strenge Schutzvorkehrungen, um die bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Pandemie nicht durch die nächsten Öffnungsschritte zu gefährden. „Ohne diese Voraussetzungen sind in der jetzigen Phase der Pandemie breit angelegte Öffnungen falsch.“
In Deutschland wurden derweil innerhalb eines Tages 4732 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, erhöhte sich die so genannte Sieben-Tages-Inzidenz auf 65,8.