Notbremse sorgt vor Bundestagsentscheidung weiter für Kontroversen

Bundestag - Bild: agafapaperiapunta via Twenty20
Bundestag - Bild: agafapaperiapunta via Twenty20

Einen Tag vor der geplanten Verabschiedung der bundesweiten Notbremse im Bundestag hat die Neuregelung weiter für Kontroversen gesorgt: Die SPD zeigte sich erleichtert über die Verschärfung der Einschränkungen für die Schulen und die Lockerung der Ausgangssperren. Die Opposition blieb hingegen bei ihrer Kritik, die FDP drohte erneut mit einer Verfassungsklage. Das neue Infektionsschutzgesetz soll am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden.

Im Gesundheitsausschuss waren mit den Stimmen der Koalition am Montag noch viele Änderungen gebilligt worden. So gilt die Ausgangssperre jetzt erst ab 22.00 Uhr, körperliche Bewegung wie Joggen oder Spazierengehen Einzelner bleibt noch bis 24.00 Uhr erlaubt sein. Zudem wurde der Grenzwert, ab dem die Schulen wieder geschlossen werden müssen, von der ursprünglich geplanten Sieben-Tage-Inzidenz von 200 auf nunmehr 165 gesenkt. Auch wurde eine zusätzliche Stufe eingezogen, in der Wechselunterricht vorgeschrieben wird.

Zur geänderten Ausgangssperre sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich, dies sei ein „tragbarer Bereich“. Er sei optimistisch, dass die Pandemie so bewältigt werden könne, dass Deutschland zu einer Normalität zurückkehren kann.

Die Ausgangssperre orientiere sich nunmehr an der in Hamburg geltenden Verordnung, die vor dem Verwaltungsgericht Bestand habe, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese in Berlin. Demgegenüber erklärte FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae, pauschale Ausgangssperren ab einer Inzidenz von 100 stellten unabhängig vom Geltungszeitraum einen „massiven Eingriff in die Bewegungsfreiheit“ dar. Die FDP prüfe nunmehr „mit Hochdruck eine Verfassungsbeschwerde“.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, die Notbremse reiche trotz der Veränderungen nicht aus, „die dritte Welle zu brechen“. Die Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali kritisierte die Regelungen zu den Schulen als „undurchsichtig“. Die jetzt beschlossene 165er-Inzidenz-Grenze sei „willkürlich gewählt“.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte der Funke Mediengruppe, auch eine Inzidenz von 165 sei „noch deutlich zu hoch“. Die SPD-Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar zeigte sich zwar erleichtert über die Absenkung des Grenzwertes, betonte aber zugleich, sie hätte sich eine schärfere Regelung vorstellen können.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt sprach sich dafür aus, neben dem Inzidenzwert noch weitere Kriterien für die Aktivierung der Corona-Notbremse mit aufzunehmen. „Der Inzidenzwert allein sagt nichts über die tatsächliche Krankheitslast aus, da Infektionen häufig ohne oder mit nur geringen Symptomen verlaufen“, sagte er der „Rheinischen Post“. So könne etwa die Zahl der täglichen Neuaufnahmen von Corona-Intensivpatienten mit aufgenommen werden.

Nach Auffassung der Verfassungsrechtlerin Anna Katharina Mangold verletzt das neue Gesetz mehrere Grundrechte. Der Staat müsse sich für Eingriffe in die Grundrechte rechtfertigen, nicht die Bürger für die Ausübung ihrer Rechte, sagte sie am Dienstag bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), in deren Auftrag sie ein Gutachten zur Ausgangssperre erstellt hatte.

Die SPD zeigte sich zufrieden damit, dass die Regelung für Testangebote an Arbeitnehmer verschärft worden. Der aktuellen Arbeitsschutzverordnung zufolge haben die Firmen ihren Arbeitgebern zunächst nur einen Test pro Woche anzubieten. Ein zweiter muss nur in bestimmten Fällen hinzukommen – etwa wenn viel Kontakt zu Kunden besteht. Künftig soll ein zweites Testangebot immer gemacht werden müssen, wie SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte.

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