Bundesverfassungsgericht lehnt Eilantrag gegen EU-Corona-Hilfsfonds ab

Symbolbild: Bundesverfassungsgericht
Symbolbild: Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat einen Eilantrag gegen das deutsche Ratifizierungsgesetz zum Corona-Hilfsfonds der Europäischen Union abgelehnt. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Verstoß gegen die Verfassung lasse sich nicht feststellen, teilte das Gericht am Mittwoch in Karlsruhe mit. Somit ist der Weg für die Unterzeichnung des Gesetzes frei. (Az. 2 BvR 547/21)

Die EU-Kommission will für die Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bis zu 750 Milliarden Euro am Kapitalmarkt aufnehmen. 390 Milliarden Euro sollen als Zuschüsse verteilt werden, die restlichen 360 Milliarden Euro als Kredite fließen. Der sogenannte Eigenmittelbeschluss, der die Kommission zu diesem Vorgehen ermächtigt, muss von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

Bundestag und Bundesrat stimmten am 25. und 26. März zu. Daraufhin zogen das „Bündnis Bürgerwille“ um den Volkswirtschaftler und frühere AfD-Chef Bernd Lucke nach Karlsruhe. Lucke ist inzwischen Mitglied der Partei Liberal-Konservative Reformer. Das Bündnis will prüfen lassen, ob Deutschland überhaupt zustimmen darf, und reichte eine Verfassungsbeschwerde und einen Eilantrag ein.

Noch am 26. März verbot das Gericht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, das Gesetz bis zur Entscheidung über eine einstweilige Anordnung zu unterschreiben. Diese Entscheidung fiel nun. Zwar sei der Antrag weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet, teilte das Gericht mit. Es sei möglich, dass der Eigenmittelbeschluss in die „haushaltspolitische Gesamtverantwortung“ des Bundestags eingreife. Sehr wahrscheinlich sei dies allerdings nicht.

Das Gericht entschied sich darum nach Abwägung möglicher Folgen gegen eine einstweilige Anordnung: Über die Verfassungsbeschwerde an sich wird in Karlsruhe noch beraten, diese Entscheidung steht also noch aus. Sollte das Gesetz tatsächlich verfassungswidrig sein, wären die Nachteile der nicht ergangenen einstweiligen Anordnung weniger schwer, als wenn dem Eilantrag stattgegeben würde und die Verfassungsbeschwerde sich am Ende als unbegründet herausstellen sollte, hieß es.

Das Gericht müsse nun vor allem prüfen, ob durch den Eigenmittelbeschluss „dauerhaft Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen“, formuliert es der Beschluss. Geklärt werden müsse auch, ob dadurch Verpflichtungen entstehen könnten, die für das Budgetrecht des Bundestags „von struktureller Bedeutung“ seien, und ob eine parlamentarische Kontrolle gesichert sei.

Dass die Hauptsache noch nicht entschieden sei, betonten auch die Kläger in einer ersten Reaktion. Lucke als Sprecher der Klägergruppe und der Prozessbevollmächtigte Hans-Detlef Horn zeigten sich aber auch enttäuscht darüber, dass der Eigenmittelbeschluss nun aus deutscher Sicht in Kraft gesetzt werden könne, „ohne dass dessen Rechts- und Verfassungsmäßigkeit zuvor eingehend geprüft und geklärt worden ist“.

Aus Brüssel und Berlin kamen dagegen erfreute Reaktionen auf die Entscheidung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die EU bleibe mit ihrer wirtschaftlichen Erholung nach dieser beispiellosen Pandemie auf Kurs. Haushaltskommissar Johannes Hahn zeigte sich optimistisch, dass in den kommenden Wochen alle Mitgliedsstaaten ihre Ratifizierungsverfahren abschließen würden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei einem Onlinekongress der Europäischen Volkspartei, sie sei „sehr froh“ über die Gerichtsentscheidung. Diese bedeute, dass der Bundespräsident nun unterschreiben könne „und damit auch von deutscher Seite der Fonds erst einmal operationalisiert ist.“

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach im Bundestag von einem „wichtigen Schritt in der Bekämpfung der Pandemie in ganz Europa und gemeinsam“. Es sei richtig, „dass wir mit enormen fiskalischen Mitteln dazu beitragen, das Leben in unserem Land, Arbeitsplätze und Unternehmen zu retten, und dass wir es in Europa gemeinsam tun“, sagte er.

Die Sprecherin für Europapolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, sprach von einem „guten Tag für die Handlungsfähigkeit Europas“. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund begrüßte die Entscheidung.

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