Im Wirecard-Bilanzskandal ist die Prüfgesellschaft EY für ihre Rolle bei dem insolventen Finanzdienstleister unter Beschuss geraten. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) stellte nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen Abschlussprüfer von EY. Auch der japanische Technologiegigant Softbank will juristisch gegen die Prüfgesellschaft vorgehen. Regierungssprecher Steffen Seibert zeigte sich besorgt angesichts des Skandals und kritisierte mögliche „Schwächen bei den Kontrollmechanismen“.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger teilte am Freitag mit, sie habe Strafanzeige gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Abschlussprüfer von Ernst & Young gestellt. Sie habe „große Zweifel an der Geeignetheit von Ernst & Young als Abschlussprüfer“ und werde daher zunächst für die von der SdK vertretenen Investoren auf zukünftigen Hauptversammlungen gegen eine Bestellung von Ernst & Young zum Abschlussprüfer stimmen.
Auch Softbank will EY juristisch in Anspruch nehmen, wie der „Spiegel“ berichtete. Der japanische Konzern hatte Wirecard demnach im April 2019 angeboten, sich über eine Wandelanleihe an dem Zahlungsdienstleister zu beteiligen und eine geschäftliche Partnerschaft einzugehen. Softbank knüpfte sein Investment daran, dass ein testierter Jahresabschluss vorliegt und von der Hauptversammlung beschlossen wird.
Dies geschah trotz der Bilanzbetrugsvorwürfe gegen das Unternehmen. Nachdem die Vorwürfe nicht abrissen, forderte Softbank Wirecard auf, einen Untersuchungsausschuss einzurichten und einen anderen Wirtschaftsprüfer als EY mit einer Sonderprüfung zu beauftragen. Mit der nun beantragten Insolvenz sei das Vertrauen der Japaner in Wirecard zerstört und offenbar auch das in EY.
Die Bundesregierung wertete die Vorgänge um Wirecard als einen „Besorgnis erregenden Fall“. Unternehmen und Finanzmärkte müssten „zuverlässig und ordnungsgemäß arbeiten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er kritisierte mögliche „Schwächen bei den Kontrollmechanismen“. Sie müssten nun behoben werden.
Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, „wir sehen auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Verantwortung“. Sie müssten tatkräftig zur Aufklärung beitragen, forderte sie. Zu den Konsequenzen aus dem Fall Wirecard sagte die Sprecherin, zunächst müsse geschaut werden, „was da schiefgelaufen ist. Dann sehen wir weiter.“
Der Finanzmarktexperte Gerhard Schick kritisierte Versäumnisse der Politik. „Es ist ein Ärgernis, dass immer erst ein Megaskandal passieren muss, bis Reformen angekündigt werden“, erklärte der Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Schnellere Sonderprüfungen durch die Finanzaufsichtsbehörde Bafin, wie von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigt, seien dabei nur ein „erster kleiner Schritt“.
Auch die EU-Kommission schaltete sich in den Skandal ein und forderte die europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde Esma auf, den Bilanzskandal unter die Lupe zu nehmen. Die Esma solle eine „Faktenfeststellungsanalyse“ zum „Zusammenbruch der Wirecard AG“ und der Reaktion der Aufsichtsbehörden erstellen, heißt es nach AFP-Informationen in einem Brief der Generaldirektion für Finanzdienstleistungen der Kommission.
Wirecard hatte vor einer Woche eingestanden, dass in der Jahresbilanz 1,9 Milliarden Euro fehlen. Am Montag hatte der Konzern dann eingeräumt, dass das Geld bei zwei philippinischen Banken mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht existiert. Am Donnerstag beschloss der Vorstand der Dax-Firma, Insolvenz zu beantragen.
Wirtschaftsprüfer des Konzerns war EY. Das Unternehmen sieht sich selbst als Opfer eines „umfassenden Betrugs, an dem mehrere Parteien rund um die Welt und in verschiedenen Institutionen mit gezielter Täuschungsabsicht beteiligt waren“.
Der laut deutschen Medienberichten per Haftbefehl gesuchte ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hält sich derweil möglicherweise in China auf. Der philippinische Justizminister Menardo Guevarra teilte mit, Marsalek sei am Dienstag auf die Philippinen eingereist und habe das Land am Mittwochmorgen Richtung China wieder verlassen.
Wirecard stand seit seiner Gründung 1999 immer wieder im Zentrum von Aktienspekulationen. Im vorigen Jahr schrieb die britische „Financial Times“ wiederholt über angeblich vorgetäuschte Umsätze und gefälschte Verträge bei Wirecard in Singapur.