Deutschland erlebt dramatischsten Wirtschaftsabsturz seit Zweitem Weltkrieg

Symbolbild: Euro-Münze
Symbolbild: Euro-Münze

Die deutsche Wirtschaft ist wegen der Corona-Pandemie im zweiten Quartal in die mit Abstand schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg gestürzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging von April bis Juni um 10,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zurück, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Der Einbruch der Wirtschaftsleistung war damit noch deutlich stärker als während der Finanzkrise. Wirtschaftsforscher rechnen nun aber mit einem ebenfalls historischen Anstieg des BIP.

Der Absturz der Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal fiel nach Angaben des Statistischen Bundesamts historisch aus. Es war demnach der stärkste Rückgang seit Beginn der BIP-Berechnungen für Deutschland im Jahr 1970. Zum Vergleich: Während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise war das BIP im ersten Quartal 2009 um 4,7 Prozent schrumpfte. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte schon im April von der schwersten wirtschaftlichen Delle seit dem Zweiten Weltkrieg gesprochen.

Die Statistiker verzeichneten auch im Vorjahresvergleich einen dramatischen Absturz: Das BIP war im zweiten Quartal dieses Jahres preisbereinigt um 11,7 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. 

Die Exporte und Importe von Waren und Dienstleistungen gingen im zweiten Quartal massiv zurück. Auch die privaten Konsumausgaben und die Investitionen in Ausrüstungen brachen laut Statistik ein. Der Staat erhöhte dagegen seine Konsumausgaben während der Krise. 

Die Zahlen zeigen laut dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, wie sehr die Corona-Krise die deutsche Wirtschaft getroffen habe. Der Weg zur wirtschaftlichen Erholung sei noch lang. Laut der jüngsten DIHK-Blitzumfrage rechne die Hälfte der Unternehmen für ihre Geschäfte frühestens im nächsten Jahr mit einer Rückkehr zur Normalität. Auch der deutsche Export sei nach wie vor stark betroffen, weshalb der DIHK für das gesamte laufende Jahr mit einem Rückgang des BIP um zehn Prozent rechnet.

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht trotz des Rückgangs „keinen Anlass zu Panik“. Allerdings seien die Einschnitt der Corona-Rezession „mehr als eine einfache Konjunkturkrise“, erklärte ZEW-Forscher Friedrich Heinemann. Die Pandemie werde den Strukturwandel in Richtung der digitalen Ökonomie nun rasch beschleunigen. Angesichts dessen dürfe die deutsche Politik keine „chancenlose Konservierungspolitik mit Subventionierung der Vor-Corona-Welt“ betreiben.

Vorsichtig optimistisch zeigte sich das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. IMK-Direktor Sebastian Dullien rechnet nach eigenen Angaben bereits im laufenden dritten Quartal mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts, wie ihn die deutsche Wirtschaft seit den 70er Jahren nicht erlebt habe. „Allerdings darf die absehbare Erholung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch länger dauern wird, bis sich die deutsche Wirtschaft von dem Corona-Schock erholt.“

Die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib, warnte vor übertriebenen Erwartungen an einen Aufschwung. „Nach der zunächst fast mechanischen Erholung durch die Angebotsseite dürfte das Aufholtempo dann aber bald wieder nachlassen“, erklärte sie. „Insbesondere die exportorientierte Industrie muss angesichts der global weiterhin hohen Infektionsdynamik mit viel Gegenwind rechnen.“

Eine gemischte Bilanz zog auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). „Die gute Nachricht: Der Tiefpunkt der Krise liegt hinter uns, es geht seit Mai wieder aufwärts“, erklärte Konjunkturchef Stefan Kooths. „Die schlechte Nachricht: Die Krise ist längst nicht ausgestanden, und die Folgen wird Deutschland noch lange spüren.“

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