EU-Ratspräsident Michel stellt vor Gipfel Kompromissplan im Finanzstreit vor

EU-Ratspräsident Charles Michel - Bild: REUTERS/Yves Herman/Pool
EU-Ratspräsident Charles Michel - Bild: REUTERS/Yves Herman/Pool

Vor dem EU-Sondergipfel kommende Woche hat Ratspräsident Charles Michel seinen Kompromissvorschlag für den Finanzstreit unter den Mitgliedstaaten vorgestellt. Michel schlug am Freitag vor, den Aufbaufonds zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bei den von der EU-Kommission genannten 750 Milliarden Euro zu belassen. Den nächsten Sieben-Jahres-Haushalt der EU kürzte er dagegen etwas. Deutschland und weiteren Ländern kam er unter anderem mit der Beibehaltung von Rabatten bei den EU-Beiträgen entgegen.

„Es ist Zeit zu handeln, Zeit zu entscheiden“, sagte Michel. Er hielt auch daran fest, 500 der 750 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds als Zuschüsse auszuzahlen, die von den Empfängerländern nicht zurückgezahlt werden müssen. Dagegen stemmen sich bislang eine Reihe nördlicher EU-Länder wie die Niederlande und Österreich, die vor allem auf die Vergabe von Krediten setzen wollen.

Ihnen kam Michel mit einer stärkeren Mitsprache des Rates der Mitgliedstaaten bei der Vergabe der Gelder entgegen. Nationale Pläne, um die Gelder zu bekommen, müssten nun zunächst mit qualifizierter Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten beschlossen werden. Erst danach könnte die EU-Kommission die Freigabe veranlassen.

Zudem passte Michel die Kriterien für die Vergabe der Mittel an. Gut zwei Drittel der Zuschüsse sollen zwar weiter vor allem gemäß den Arbeitslosenzahlen in den Jahren vor der Corona-Krise vergeben werden. Bei knapp einem Drittel soll allerdings der Rückgang der Wirtschaftsleistung vor allem 2020 und 2021 zugrunde gelegt werden.

Wie von Ländern wie Deutschland gefordert, soll nun bereits 2027 und nicht 2028 mit der Rückzahlung der durch die EU-Kommission als gemeinsame Schulden aufgenommenen Corona-Hilfsgelder begonnen werden. Sie sollen dann bis 2058 getilgt sein.

Die Rückzahlung will Michel durch neue EU-Steuern und Abgaben finanzieren. Er schlug dabei die Nutzung einer Abgabe auf Plastikmüll, die Ausweitung des Emissionshandels etwa auf Luft- und Schifffahrt sowie eine Steuer auf Produkte aus Drittstaaten mit geringeren Umweltauflagen vor. Damit soll verhindert werden, dass für die Rückzahlung der Corona-Schulden die Beiträge der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt erhöht werden müssen.

Der Corona-Hilfsplan ist eng verknüpft mit dem nächsten Sieben-Jahres-Haushalt der EU für die Zeit von 2021 bis 2027. Für ihn schlug Michel nun ein Volumen von 1074 Milliarden Euro vor. Dies sind 13 Milliarden Euro weniger als er vor dem im Februar gescheiterten Haushaltsgipfel vorgeschlagen hatte. Ein Ende Mai von der EU-Kommission vorgelegter neuer Vorschlag sah ein Volumen von 1100 Milliarden Euro vor.

Um den Widerstand von Nettozahlerländern zu überwinden, will Michel Rabatte bei den Beitragszahlungen anders als von der EU-Kommission gefordert beibehalten. Nach seinen Plänen sollen Österreich, Dänemark, Deutschland, die Niederlande und Schweden pauschale Abschläge auf ihre Zahlungen in den EU-Haushalt bekommen. Konkrete Zahlen nannte Michel nicht.

Neu in Michels Vorschlag ist eine Anhebung des Anteils der Haushaltsgelder, die für den Klimaschutz eingesetzt werden. Er soll von bisher anvisierten 25 auf 30 Prozent steigen.

Auch eine „Reserve“ von fünf Milliarden Euro, um den Austritt Großbritanniens aus dem EU-Binnenmarkt Ende des Jahres abzufedern, war in bisherigen Vorschlägen nicht enthalten. Das Geld soll demnach für „unvorhergesehene Folgen“ in den „am stärksten getroffenen Mitgliedstaaten und Branchen“ dienen.

Bei der Frage, wie EU-Mittel künftig bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit gekürzt werden können, blieb Michel bei einer relativ hohen Hürde. Solchen von der Kommission empfohlenen Kürzungen müsste der Rat der Mitgliedstaaten demnach mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

„Wir werden während des Gipfels schwierige Gespräche haben“, sagte Michel voraus und verwies darauf, dass die Vorhaben durch die 27 Mitgliedstaaten einstimmig gebilligt werden müssten. Er setze aber „auf den politischen Mut“ der Staats- und Regierungschefs.

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